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Antifolterkomitee: Schweizer Polizei greift zu hart durch

Fußtritte, Faustschläge oder Würgegriff - bei Festnahmen ist die Schweizer Polizei offenbar nicht gerade zimperlich. Auch in den Gefängnissen geht es rau zur Sache. Das Antifolterkomitee des Europarats übt offen Kritik, die Schweiz erteilt den eigenen Beamten nun Nachhilfe in "Polizei-Ethik".

Das Antifolterkomitee des Europarats prangert das brutale Vorgehen von Schweizer Polizisten gegen Verdächtige an. Vor allem in Genf würden Verdächtige bei der Festnahme oft von Polizisten mit Fausthieben, Schlagstöcken, Fußtritten oder Tränengas misshandelt, stellten die Experten des Europarats in einem Bericht fest.

Demnach wurden zwischen Anfang Januar und Ende September 2007 bei 136 neu eingewiesenen Häftlingen Spuren von Gewalt festgestellt - vor allem Blutergüsse, Prellungen und Würgemale. Ein 19-Jähriger berichtete, Beamte hätten ihm Faustschläge verpasst und einen Polizeihund auf ihn gehetzt, als er bereits gefesselt am Boden gelegen habe. Bei seiner Ankunft im Gefängnis stellte der Arzt Bisswunden, Prellungen und ein gebrochenes Nasenbein fest. In mehr als zehn Fällen hätten Festgenommene über "Würgetechniken" geklagt, die angewendet würden, um im Mund versteckte oder gerade verschluckte Drogen freizulegen.

Schweiz ermahnt Beamte

"Wir sind über diese Befunde überrascht und besorgt. Derartige Beschwerden haben wir in der Schweiz noch nicht erlebt", sagte der belgische Delegationsleiter des Antifolterkomitees, Marc Nève. "Die Schweizer Behörden sollten diese Gewalttaten der Polizei entschieden verurteilen", heißt es in dem Bericht, dessen Veröffentlichung die Schweizer Regierung genehmigt hatte.

Besorgt äußerte sich das Komitee auch über die Inhaftierung geistig gestörter Häftlinge in Einzelhaft oder Hochsicherheitstrakten, "manchmal monate- oder sogar jahrelang". Es fehlten geeignete Institutionen, um Häftlinge mit psychischen Problemen angemessen zu behandeln, sagte Nève.

Die Schweizer Regierung versicherte in ihrer am gleichen Tag veröffentlichen Antwort, die rund 1600 Genfer Polizisten seien in einem Rundschreiben zu korrektem Verhalten ermahnt worden. Außerdem würden Fortbildungsmaßnahmen organisiert - unter anderem zum Thema Menschenrechte und "Polizei-Ethik". Nach Auskunft der Regierung in Bern wurden im Jahre 2007 im Kanton Genf 30 Anzeigen wegen mutmaßlicher Misshandlungen durch Polizisten erstattet. Der Antwort zufolge führte jedoch nur eine der Anzeigen zu Disziplinarmaßnahmen gegen einen Polizisten, die anderen wurden zu den Akten gelegt worden. Strafrechtliche Ermittlungen gegen die beschuldigten Genfer Polizisten gab es demnach nicht. (nis/dpa/AFP)

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