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Antirassismuss-Konferenz: Angst vor einem Tribunal gegen Israel

Die Europäer haben sich noch nicht entschieden, ob sie am Montag zur Antirassismus-Konferenz nach Genf reisen. Der Schock der Vorgängerkonferenz sitzt noch tief.

Ob die EU-Staaten an der geplanten Antirassismus-Konferenz der Vereinten Nationen teilnehmen werden, ist kurz vor Beginn immer noch vollkommen offen. Zwar kündigte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günther Nooke (CDU), an, Deutschland werde der Konferenz „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit fernbleiben“. Doch offenbar konnten sich die beteiligten Diplomaten am Freitag auf einen gemeinsamen Entwurf für ein Abschlussdokument einigen. Wie ein EU-Diplomat am Abend mitteilte, ist die Einigung für die Europäische Union „vollständig annehmbar“. In dem Text wird den Angaben zufolge das Nahost-Thema gegenüber anderen Konflikten nicht gesondert hervorgehoben. Auch die Passage zur Bedeutung des Gedenkens an den Holocaust sei anders als vom Iran gewünscht nicht verändert worden. Der Zentralrat der Juden sowie Politiker aus CDU, SPD und FDP hatten einen Boykott der Konferenz gefordert. Einzig die Grünen sind für eine Teilnahme.

Der Schock der Vorgängerkonferenz sitzt noch tief. Bei der Antirassismus-Konferenz 2001 in Südafrika seien zahlreiche antisemitische Äußerungen gefallen, besonders krasse beim parallel stattfindenden Forum der Nichtregierungsorganisationen, sagt Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Ganz könne man das bei einer internationalen Konferenz leider nicht verhindern. „Die UN sind eben ein Gremium, in dem Staaten miteinander reden, und zwar nicht nur freiheitliche, die Menschenrechte achtende, sondern eben auch israelfeindliche wie der Iran.“

Dass der iranische Präsident angekündigt hat, die Konferenz zu besuchen, hat den Streit zusätzlich angeheizt, zumal am ersten Konferenztag, am Montag, Holocaust-Gedenktag in Israel ist und Ahmadinedschad den Holocaust immer wieder öffentlich geleugnet hat. „Ein Boykott ist aber nicht im Sinne Israels, denn damit überlassen wir den Ahmadinedschads die Bühne“, sagt die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Müller. „Die Europäer dürfen sich nicht einfach verabschieden, sondern müssen ihr starkes Gewicht in Menschenrechtsfragen dazu nutzen, bis zum Schluss aktiv mitzugestalten.“ Bei UN- Konferenzen gelte schließlich das Konsensprinzip, daher solle man bei der Abstimmung möglichst noch dabei sein. „Wenn es untragbar wird, muss man aber auch den Raum verlassen“, sagt Bielefeldt. Im Vorfeld ein Boykott zu erklären, finde er jedoch problematisch.

Monatelang hatten Diplomaten in EU und UN um einzelne Formulierungen im Entwurf gerungen. Dabei konnten die westlichen Diplomaten entscheidende Erfolge verbuchen: Abschnitte zum Nahostkonflikt wurden komplett gestrichen. Auch strittige Passagen zu Diffamierungen von Religionen, die Kritiker als unvereinbar mit der Meinungsfreiheit betrachten, wurden stark entschärft.

Klare Stimmen für einen Boykott kommen aus der CDU. „Ich halte es für wesentlich produktiver, durch das eigene Fernbleiben ein Zeichen zu setzen, dass man die Instrumentalisierung von Menschenrechtskonferenzen zur Verurteilung von Israel nicht mitmacht“, sagt Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz. Den Aufruf zum Boykott mache er nicht ausschließlich vom Entwurf für das Abschlussdokument abhängig. Es sei nicht hinzunehmen, dass Staaten, die in ihren eigenen Ländern eine kritische Öffentlichkeit ausschalten, im Beisein der EU israelfeindliche Positionen vertreten könnten.

Bei der Vorgängerkonferenz sei am Ende ein Abschlussdokument herausgekommen, das „nicht israelfeindlich“ und „nicht antisemitisch“ sei, meint Müller von den Grünen. „Das war der Tatsache geschuldet, dass die Europäer bis zum Schluss geblieben sind.“ Das Dokument drückte „Besorgnis“ über den palästinensischen Besatzungsstatus aus und enthielt ein Bekenntnis zur Zweistaatenlösung und zum Friedensprozess in Nahost. Dennoch: Dass der Nahostkonflikt als einziger erwähnt wurde, deuteten Kritiker als antisemitisch, weil dadurch einzig Israel an den Pranger gestellt werde. mit AFP

Karin Schädler

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