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Politik: Antischuldenpakt mit Fragezeichen

Irlands Referendumsankündigung könnte Stimmung bei EU-Gipfel verderben.

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Berlin - Es soll eigentlich ein Zeichen sein, dass die EU trotz der Schuldenkrise und der Ungewissheit im Griechenland- Drama doch handlungsfähig ist: Am Freitagmorgen wollen die Staats- und Regierungschefs am zweiten Tag ihres bevorstehenden Gipfeltreffens in Brüssel den Fiskalpakt unterzeichnen – also jenes Dokument, mit dem der Wille der EU-Staaten zum Schuldenabbau dokumentiert werden soll. Richtige Feierstimmung dürfte beim Gipfel allerdings nicht aufkommen. Denn seit der irische Regierungschef Enda Kenny am Dienstag ein Referendum über den Fiskalpakt angekündigt hat, ist unklar, wie viele Staaten am Ende daran teilnehmen werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Iren in einer Volksabstimmung mit einem EU-Vertrag beschäftigen. 2001 stoppten sie per Referendum den Nizza-Vertrag, um ihn im Jahr darauf doch anzunehmen, nachdem sie eine Nachbesserung erwirkt hatten. Ähnliches geschah Ende des vergangenen Jahrzehnts: 2008 lehnten die Iren den Lissabon-Vertrag erst ab, 2009 stimmten sie zu.

Dass es diesmal wieder genauso läuft, ist allerdings nicht zu erwarten. Schließlich hängt es – anders als bei den Verträgen von Nizza und Lissabon – nicht von den Iren ab, ob der Fiskalpakt kommt oder nicht. Der vor allem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) initiierte völkerrechtliche Vertrag tritt in Kraft, sobald ihn zwölf Euro-Länder ratifiziert haben. Und nach gegenwärtigem Stand spricht nichts dagegen, dass am Ende ein Dutzend Staaten dabei ist. Zumal auch Irlands Regierungschef Kenny, der bei der Vertragsunterzeichnung am Freitag in Brüssel trotz allem dabei sein will, ein handfestes Argument für den Fiskalpakt hat: Wenn die Iren nicht zustimmen, können sie keine neuen Hilfen aus dem künftigen Rettungsschirm ESM erwarten. Irland erhält gegenwärtig Hilfszahlungen über 85 Milliarden Euro aus dem bestehenden Rettungsschirm EFSF. Allerdings musste sich das Land im Gegenzug zu einem unpopulären Sparkurs verpflichten. Aus diesem Grund ist es auch keineswegs sicher, dass der Fiskalpakt bei dem möglicherweise im Mai oder Juni stattfindenden Referendum eine Mehrheit findet.

Auch die aktuelle Lage in Griechenland dürfte den EU-Gipfel – wieder einmal – beschäftigen. Beim Abendessen an diesem Donnerstag will Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker seine Kollegen über den Stand der Bemühungen im Kampf gegen die Schuldenkrise unterrichten. Griechenland hat sich verpflichtet, bis zum Gipfel milliardenschwere Haushaltskürzungen durchs Parlament in Athen zu bringen. Am Dienstag billigte das Kabinett von Regierungschef Lucas Papademos eine Kürzung des Mindestlohns von 751 Euro um 22 Prozent. Gleichzeitig stimmte eine breite Mehrheit der Abgeordneten für Haushaltskürzungen von 3,2 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Sparbeschlüsse gelten als Voraussetzung für das zweite Griechenland-Hilfspaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro. Papademos lehnte am Mittwoch die Idee von Eurogrupen-Chef Jean-Claude Juncker ab, der einen EU-Kommissar zum Aufbau der griechischen Wirtschaft vorgeschlagen hatte: „Das neue wirtschaftliche Anpassungsprogramm für Griechenland wird von der griechischen Regierung und den griechischen Behörden umgesetzt“, sagte Papademos in Brüssel.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle warf Griechenland unterdessen vor, beim Sparen falsche Prioritäten zu setzen. „Ich hielte es für besser, wenn sie, statt die Renten zu kürzen, ihren Verteidigungshaushalt runterfahren würden“, sagte er am Mittwoch in Berlin.

Ob indes die finanzielle „Brandmauer“ um Griechenland erhöht wird, dürfte beim EU-Gipfel vorerst offenbleiben. Zunächst müsse abgewartet werden, wie groß die Beteiligung der Privatgläubiger am Schuldenschnitt in Griechenland sei, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen in Berlin. Zur Debatte steht eine Aufstockung des Rettungsschirms ESM um 250 Milliarden Euro. Insgesamt würden dem ESM dann 750 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Deutschland sperrt sich gegenwärtig gegen eine Erhöhung der Obergrenze. Allerdings ist die Bundesregierung mit dieser Haltung zunehmend isoliert. Für eine Erhöhung der „Brandmauer“ plädieren hingegen der Internationale Währungsfonds, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die EU-Kommission.

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