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Frankreichs Regierungschef Manuel Valls kommt zum Antrittsbesuch nach Berlin.

© AFP

Antrittsbesuch in Berlin: Frankreichs Regierungschef Manuel Valls erntet heftige Kritik

In Berlin wird die Kritik am schleppenden Reformtempo in Frankreich immer lauter. Der CSU-Politiker Hans Michelbach sieht in Frankreich schon den "größten Gefahrenherd für den Euro" - keine guten Vorzeichen für den heutigen Antrittsbesuch von Premier Manuel Valls.

Gesten gehören im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich zum Stilmittel der Politik. Am 22. September 1984 reichten sich der französische Staatschef François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl auf dem Soldatenfriedhof von Verdun die Hände – die Szene gilt bis heute als Sinnbild der Nachkriegs-Versöhnung zwischen beiden Ländern. Auf den Tag genau 30 Jahre nach dem historischen Handschlag kommt an diesem Montag Frankreichs Regierungschef Manuel Valls nach Berlin. Zwar gehen Politiker auf beiden Seiten des Rheins mit zunehmendem Abstand zum Weltkriegsende mit großen Gesten immer sparsamer um. Dennoch darf man gespannt darauf sein, wie Valls heute bei seinem Antrittsbesuch im Kanzleramt von Regierungschefin Angela Merkel (CDU) empfangen wird. Sowohl in Berlin als auch in Paris gibt es einigen Gesprächsbedarf. In Berlin bereitet die wirtschaftliche Schwäche des wichtigsten EU-Partners zunehmend Sorgen. Andererseits werden in Paris die Forderungen in Richtung der Bundesregierung lauter, mehr für das Wachstum in der EU zu tun.

Im Parlament berief sich der Premier auf Frankreichs Eigenständigkeit

Valls ist seit März Premierminister und gehört innerhalb der sozialistischen Regierungspartei dem rechten Flügel an. Das hielt den 52-Jährigen allerdings nicht davon ab, bei seiner Regierungserklärung am vergangenen Dienstag vor den Abgeordneten in der Nationalversammlung europapolitische Glaubenssätze aufzustellen, die auch gut von der Parteilinken hätten kommen können. Valls erklärte, dass sich Frankreich bei seiner Wirtschaftspolitik von niemanden hineinreden lasse. Dabei steht Frankreichs Budgetpolitik aber unter verschärfter Beobachtung in Berlin und Brüssel: Vor knapp vor zwei Wochen hatte Finanzminister Michel Sapin zugeben müssen, dass sein Land die im Euro-Stabilitätspakt vorgesehene Neuverschuldungs-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erst 2017 wieder einhalten werde.
Valls’ Forderungen vor der Nationalversammlung sollten offenbar dazu dienen, die Mehrheit der Abgeordneten bei der Vertrauensabstimmung hinter sich zu bringen – was ihm auch gelang. Unter den Sozialisten gibt es zahlreiche Abweichler, die Valls’ Reformkurs nicht mittragen. Sie dürften auch den Appell ihres Ministerpräsidenten gerne gehört haben, dass Deutschland bei der Schaffung von mehr Wachstum in der schwächelnden Euro-Zone „seiner Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden“ müsse.

In Berlin wächst die Ungeduld mit den französischen Partnern

In Berlin wächst hingegen parteiübergreifend die Ungeduld mit den französischen Partnern. Nachdem Staatschef François Hollande zu Beginn des Jahres eine wirtschaftspolitische Wende und eine unternehmensorientiertere Politik angekündigt hatte, wird nun immer dringlicher nach den Ergebnissen gefragt. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Carsten Schneider, sagte dem Tagesspiegel, er sei „sicher, dass die französische Regierung verstanden hat, dass sie die Ankündigungen zu den strukturellen Reformen nun auch umsetzen muss“. Dies sei im eigenen Interesse Frankreichs, „um die Glaubwürdigkeit in Europa nicht zu verlieren“. Deutlicher wurde hingegen der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach: „Die französische Regierung muss aufhören, nur von Reformen zu reden. Sie muss endlich auch mal handeln.“

Unions-Fraktionsvize Friedrich: Valls beugt sich "linken Reformverweigerern"

Die Forderung Valls’, dass Deutschland mehr für das Wachstum in der Euro-Zone tun müsse, wies Michelbach zurück: „Deutschland braucht von einem der größten Schuldenmacher in der EU keine Nachhilfe in Wirtschaftspolitik“. An Valls direkt richtete Michelbach den Vorwurf, „vom Versagen seiner Sozialisten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ durch seine Appelle an Deutschland abzulenken. Zudem sorgte sich der CSU-Finanzpolitiker, dass die Wirtschaftsschwäche in Frankreich die Gemeinschaftswährung gefährden könnte: „Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU ist inzwischen zum größten Gefahrenherd für den Euro geworden.“ Auch Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) kritisierte das schleppende Reformtempo in Frankreich. „Valls hat das Potenzial eines Reformers, aber er braucht Mitstreiter in seiner eigenen Partei“, sagte er dem Tagesspiegel. Es sei „kein gutes Zeichen“, dass Valls sich mit seinen Äußerungen vor den Abgeordneten in der Nationalversammlung „den linken Reformverweigerern beugt“, sagte Friedrich weiter.

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