zum Hauptinhalt

Politik: Applaus nur noch „unter der Bettdecke“?

Die Union kritisiert den Kanzler heftig für seine Gentechnik-Offensive – und die Befürworter schweigen

Gewöhnlich sind sie beim Thema Genforschung forsch zur Stelle. Doch diesmal, nach Gerhard Schröders Offensive für die Lockerung des Stammzellgesetzes, ist es bei den Liberalisierern in der Union mucksmäuschenstill. Weder Katherina Reiche noch Peter Hintze oder Wolfgang Schäuble wollen den Kanzlervorstoß kommentieren. Haben die biopolitischen Stürmer und Dränger, die so kurz vorm Machtwechsel eine ethisch zerrissene Union präsentieren könnten, einen Maulkorb verpasst bekommen? „Maulkörbe gibt es bei uns nicht“, wehrt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Böhmer ab. Aber vielleicht, so mutmaßt ihr Kollege Hubert Hüppe, hätten die Drängler inzwischen gemerkt und akzeptiert, „was die eindeutige Mehrheitsposition ist: Mit der CDU wird es hier keinen Wechsel geben.“

Also tatsächlich nur noch „Applaus unter der Bettdecke“, wie es der Enquetekommissions-Chef Rene Röspel (SPD) der Union vorhält? CDU-Chefin Merkel habe sich beim Parteitag in Düsseldorf klar positioniert, sagt Hüppe. Die CDU werde „Sachwalterin eines Klonverbots“ sein – und zwar auch eines Verbots des therapeutischen Klonens, bei dem Embryonen nur zu Forschungszwecken produziert werden. Und bei der Stammzellforschung habe Merkel ebenfalls „alles mitgetragen“ – einschließlich des aktuellen Fraktionsantrags, auch in der EU „nichts zu fördern, was bei uns verboten ist“.

Verboten ist es in Deutschland generell, embryonale Stammzellen zu gewinnen – aus geklonten Embryonen ebenso wie aus Embryonen, die bei künstlicher Befruchtung übrig geblieben sind. In begründeten Ausnahmefällen können Forscher jedoch im Ausland gewonnene embryonale Stammzellen importieren und damit arbeiten. Dies regelt das deutsche Stammzellgesetz, das am 1. Juli 2002 – überparteilich abgesegnet – in Kraft trat.

Von Einzelmeinungen abgesehen, werde der Konsens nur von der FDP nicht mitgetragen, sagt die Grünen- Politikerin Christa Nickels. Zu den „Einzelmeinungen“ gehört allerdings auch ein erklecklicher Teil des Kabinetts. Justizministerin Zypries kratzt ebenso am Kompromiss wie Wirtschaftsminister Clement, und auch Forschungsministerin Bulmahn warnt davor, im internationalen Wettlauf abgehängt zu werden. Und der Kanzler? Der hatte sich noch im Wahlkampf 2002 gegen die Zulassung des therapeutischen Klonens verwahrt. Doch schon im Januar 2003 deutete er einen Kurswechsel an, und im März 2005 positionierte er sich per Regierungserklärung dann klar auch als Verfechter des Forschungsklonens.

Dies ändere nichts an den Beschlüssen von Fraktion und Bundestag, sagt Rene Röspel trotzig. Und Schröders Genosse Wolfgang Wodarg schimpft, dass jeder, der „euphorisch“ Forschungsergebnisse aus Südkorea lobt, auch ehrlich sagen müsse, dass dort „Menschen verarbeitet werden“. Maria Böhmer hält den Kanzlervorstoß ohnehin für ein „riesiges Ablenkungsmanöver“. Im Bundeshaushalt seien nur 0,03 Prozent für Stammzellforschung vorgesehen. Außerdem habe der Kompromiss Forschung in Deutschland nicht verhindert, sondern ermöglicht – allerdings in ethisch vertretbaren Grenzen. Nachdem er mit den Grünen vielfach Forschung verhindert habe, wolle sich Schröder „nun ausgerechnet dort als großer Forschungsfreund gerieren, wo es um menschliches Leben geht“ , sagt Hüppe.

Schröders Vorschläge fänden in der Union keine Mehrheit, versichert auch CDU-General Volker Kauder. Doch in der SPD frozzeln sie schon. „Es wird lustig, wenn die Frauen Reiche, Böhmer und Flach im Herbst eine Koalition bilden wollen“, meint der Forschungspolitiker Jörg Tauss. Tatsächlich denkt seine FDP-Kollegin Ulrike Flach nicht ans Schweigen, lieber beklagt sie das mangelnde Durchsetzungsvermögen des Kanzlers. Und so warnen sie in der Union den potenziellen Partner schon mal. „Die FDP“, sagt Hüppe, „wäre gut beraten, Gewissensfragen nicht zu Koalitionsfragen zu machen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false