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Politik: Arabien ist auf dem Weg

Von Clemens Wergin

Arabia felix nannten die Römer den südlichen Teil der arabischen Halbinsel. Aber glücklich ist Arabien und der gesamte arabische Raum von Marokko bis Oman schon lange nicht mehr. Seit 50 Jahren stöhnen die Menschen unter autoritären Regimen, die vielerorts die Kolonialherren ersetzten. Selbst die weltweite Demokratisierungswelle, die nach dem Ende der OstWest-Konfrontation den Globus erfasste, ist an Arabien vorübergegangen.

Wenn Bundeskanzler Schröder nun durch die Region reist, trifft er von Riad bis nach Abu Dhabi auf alte Herrschercliquen, die glauben, sie müssten nur große Aufträge nach Europa vergeben, dann werde die Kritik an ihnen schon verstummen. Unter dieser von Sicherheitsdiensten zementierten Oberfläche brodelt es aber. Seit etwa zwei Jahren wird in der arabischen Welt lebhaft über Reformen diskutiert, in Zeitungen – oft im Ausland – und Satellitensendern wie im Privaten. Der „Wind of Change“ erfasst auch die arabische Welt, endlich.

Der Ruf nach Veränderung hat mehrere Ursachen. Einmal die zwei UN-Berichte, die den arabischen Ländern die schlechteste Entwicklung der vergangenen 20 Jahre weltweit bescheinigten. Aber auch der Irakkrieg und die Nachrichten über Saddams Untaten machten die Parallelen zu den eigenen Regierungen deutlich. Als dann noch im besetzten Irak und in den Palästinensergebieten die ersten wirklich freien Wahlen in der arabischen Welt stattfanden, fragten sich viele, warum das unter den eigenen Herrschern nicht auch möglich sein soll. Gerade die palästinensischen Wahlen haben einen Nerv getroffen. Jahrzehntelang hatten arabische Nationalisten innere Kritik mit dem Slogan zum Schweigen gebracht: „Keine Stimme soll lauter sein als der Ruf nach der Schlacht.“ Der Konflikt mit Israel bildete einen willkommenen Anlass, jede Öffnung zu verweigern. Jetzt zeigt sich, dass die Palästinenser selbst unter der Besatzung mehr politische Mitbestimmung haben, als ihre arabischen Brüder und Schwestern.

Und so formiert sich der Widerstand. Im Libanon demonstrieren Zehntausende gegen die syrische Besetzung und für freie, nicht manipulierte Parlamentswahlen. Die Saudis sehen sich genötigt, zum ersten Mal seit Jahrzehnten Kommunalwahlen abzuhalten. In Ägypten fordern oppositionelle Politiker, Intellektuelle und Prominente Präsident Mubarak auf, keine fünfte Amtszeit anzustreben. Der hat auf altbewährte Art reagiert: Er ließ Kritiker ins Gefängnis werfen. Nun musste Mubarak enormem Druck, auch amerikanischem, nachgeben. Bei der Präsidenten-Wahl im September wird das Volk erstmals zwischen mehreren Kandidaten entscheiden können.

Das sind zaghafte Öffnungsversuche. Damit es nicht dabei bleibt, benötigen die Reformer Unterstützung. Nicht um Veränderungen von außen aufzuzwingen; die müssen aus dem Inneren der Gesellschaften kommen. Aber der Westen muss helfen, diesem „Innen“ Bewegungsspielraum zu verschaffen. Wer Wandel nur durch Handel herbeiführen will, wie viele in Europa, belügt sich. Da werden Wirtschaftsinteressen zur außenpolitischen Strategie verklärt. Eine Annäherung an die EU wird diesen Gesellschaften nur etwas bringen, wenn Europa sie mit konkreten Forderungen nach Öffnung verbindet und die Autokraten im Zweifelsfall auch einmal politisch unter Druck setzt.

Arabien will wieder glücklich werden. Dafür müssen sich seine Reformer auf uns verlassen können – nicht zuletzt dann, wenn sie wieder in den Kerkern landen.

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