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Politik: Arabische Liga streitet – und sagt Gipfel ab

Uneinigkeit über politische Reformen / Generalsekretär sieht Staatenbund in Gefahr / Ägypten will neues Treffen in Kairo

Amman. Die tunesische Regierung hat den für diesen Montag in Tunis geplanten Gipfel der Arabischen Liga nach einem Streit über den richtigen Weg zur Modernisierung der Region überraschend abgesagt. Ein solcher Schritt ist in der 57-jährigen Geschichte der Arabischen Liga noch nie vorgekommen und ist in der Region weit gehend kritisiert worden. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, sah die Handlungsfähigkeit des Staatenbundes in Gefahr. Der tunesische Außenminister Habib bin Yehia soll deshalb nach arabischen Medienberichten, die bislang aber nicht bestätigt wurden, seinen Rücktritt eingereicht haben.

Die arabischen Außenminister hatten seit Freitag in Tunis an der Tagesordnung und dem Abschlusskommunikee gearbeitet. In einem offiziellen Kommunikee teilte die tunesische Regierung mit, die Bereitschaft zu politischen Reformen bei einzelnen Staaten sei unzureichend gewesen. Ein Sprecher sagte, manche Regierungen hätten sich geweigert, Begriffe wie „Demokratie“, „Parlament“ oder „Zivilgesellschaft“ in die Abschlusserklärung aufzunehmen. Ob Nichtregierungsorganisationen als Pfeiler der Zivilgesellschaft weniger Hindernisse in den Weg gelegt werden sollten, soll vier Stunden debattiert worden sein, berichtet die „New York Times“.

Politische Reformen in der arabischen Welt waren als Hauptthema des ersten Gipfels nach der US-Invasion im Irak geplant gewesen. Dabei wollten die arabischen Staatschefs auch eine Antwort auf die US-Initiative „Erweiterter Naher Osten“ suchen, die Kontakte und Handelsbeziehungen im Gegenzug zu politischer Demokratisierung vorsieht. Der Plan, der beim G-8-Treffen im Juni vorgestellt werden soll, wird von den meisten arabischen Ländern als Einmischung abgelehnt. Umso größer war die Notwendigkeit, eigene Ideen zu präsentieren. Die USA und die Europäer hatten eine Einladung an arabische Staatschefs zum G-8-Gipfel erwogen, falls in Tunis eine eigene Reformagenda erarbeitet würde. Doch die Ermordung von Palästinenserführer Scheich Ahmed Jassin durch die Israelis hatte den Nahostkonflikt in den Vordergrund gerückt. Jassins Tod versetzte die islamische Welt in Aufruhr und schwächte die Position der Regierungen von Jordanien und Ägypten, die enge Beziehungen zu den USA und Friedensverträge mit Israel haben. Staaten wie Syrien, die nur widerwillig über politische Reformen diskutieren wollen, solange es keine Fortschritte in Nahost gibt, erhielten Auftrieb. Die Frage, ob man in dieser aufgeheizten Situation die saudische Friedensinitiative von 2002 wie geplant wieder vorlegen könnte, hatte die Außenminister bereits am Freitag entzweit. Als der saudische Kronprinz mitteilte, dass er nicht nach Tunis zu reisen gedenke, schien klar, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine Neuauflage geben würde.

Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat zeigte sich schockiert über die Absage. „Nachdem die Verschiebung des Gipfels bekannt gegeben wurde, braucht die Arabische Liga nicht einmal mehr zu existieren“, sagte er. Die Entscheidung zeige die Verschlechterung der politischen Lage in der arabischen Welt. Ägyptens Führung, die die Absage öffentlich bedauert hatte, schlug vor, den Gipfel so bald wie möglich in Kairo nachzuholen. (mit dpa)

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