zum Hauptinhalt

Politik: Arafats langsamer Abschied

Palästinenserchef bietet Rückzug an – noch steht das Parlament zu ihm

Von Andrea Nüsse, Amman

Das palästinensische Parlament ist am Montag erstmals seit sechs Monaten in Ramallah zusammengekommen, zur Vertrauensabstimmung über das neue Kabinett von Präsident Jassir Arafat. In seiner mit Spannung erwarteten Ansprache betonte Arafat, die Palästinenser seien gegen Terrorismus, egal ob dieser von Staaten, Gruppen oder Einzelpersonen begangenen werde. Im Gegensatz zum schriftlichen Redetext forderte er jedoch kein gesetzliches Verbot von Selbstmordanschläge. In der Sitzung, die in Arafats Hauptquartier stattfand, bot der Präsident zudem an, die Macht abzugeben, wenn das Parlament dies wünsche. „Wenn Sie wollen, können Sie jemanden vorschlagen, der mich in der Exekutive ersetzen soll. Ich wünschte, Sie täten es, dann könnte ich mich etwas ausruhen“, sagte Arafat kokett.

Dieses Angebot, auf die Macht zu verzichten, ist wohl reine Rhetorik. Denn die Mehrheit der Abgeordneten steht loyal zu Arafat, was nach der geplanten Neuwahl Anfang 2002 möglicherweise nicht mehr der Fall sein würde. So hat der Arafat-kritische Abgeordnete Hussam Khader aus Balata bei Nablus erklärt, er bleibe der Sitzung fern, weil die Versammlung „nicht den Interessen der Palästinenser dient“. Die Mehrheit der Abgeordneten habe der vorherigen, „korrupten“ Regierung das Vertrauen ausgesprochen. Er wolle sich nicht an dieser „Politik der Lügen und akzeptierten Korruption“ beteiligen.

Das jetzige Parlament war nach dem Oslo- Abkommen gewählt worden, als Arafat die volle Rückendeckung der Bevölkerung hatte. Damals war eine Mehrheit von Arafat-Anhängern gewählt worden, dessen überfällige Neuwahl nun auf Anfang kommenden Jahres festgelegt wurde. Daher ist die Parlamentssitzung vom Montag weniger ein Test für die innerpalästinensische Demokratie, als dafür, ob Israel palästinensische Reformversuche und anstehende Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zulassen wird. Die Abgeordneten aus dem Westjordanland müssen bei den Militärbehörden eine Reiseerlaubnis einholen, ebenso wie jeder Palästinenser, der sich von einer palästinensischen Stadt in die andere begeben will. 14 Abgeordneten aus dem Gaza-Streifen verweigerte Israel die Reise nach Ramallah mit dem Argument, sie seien in terroristische Aktivitäten verwickelt.

Überrascht von dem Reiseverbot wurde auch Rahwi Fattuh, ein führendes Mitglied von Arafats Fatah: Er war bereits am Sonntag mit Erlaubnis der israelischen Militärbehörden von Amman nach Ramallah gereist. Für den stellvertretenden Parlamentssprecher Ibrahim Abu al-Naja ist dies der Beweis dafür, dass „Israel die Parlamentssitzung um jeden Preis verhindern will“. Die insgesamt 36 Abgeordneten aus Gaza wurden schließlich per Video zugeschaltet, wohin es trotz aller Absperrungen etwa 40 der insgesamt 86 Abgeordneten geschafft hatten.

NAME

Zur Startseite