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Morgens rein in die Stadt, abends wieder raus. Das kostet Zeit, Geld und Nerven - und nimmt dennoch zu.

© dpa

Arbeitswelt: Pendlerleben als Problem

Dass immer mehr Menschen zur Arbeit pendeln, hat nicht mehr nur mit Eigenheimtraum und Pendlerpauschale zu tun. Das liegt auch an den explodierenden Mieten. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Wollte man spotten, könnte man sagen: Pendler wohnen im Grünen, in der Hoffnung, den Stress zu kompensieren, den sie gar nicht hätten, wenn ihre Arbeitswege kürzer wären. Aber zu Spott gibt die äußerst verfahrene Situation kaum noch Anlass: Die Zahl der Pendler ist 2016 auf einen neuen Rekordwert gestiegen – mit allen fatalen Auswirkungen auf die Umwelt (Zersiedelung, Verkehrsinfarkt, Dieselgate) und die Gesundheit der Betroffenen (Stress, Burn-out): 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in deutschen Großstädten wohnen nicht dort, sondern im Umland und fahren täglich lange Strecken hin und zurück.

Top 1 der Pendelstädte ist München mit täglich mehr als 350 000 Menschen, die zum Arbeiten in die Stadt fahren, und Rekordhalter beim Pendlerzuwachs ist Berlin, wo die Zahl der Arbeitsreisenden seit 2000 um 53 Prozent auf rund 280 000 angestiegen ist. Beide Städte stehen geradezu synonym für Mietpreisexplosionen (wenn auch auf unterschiedlichem Niveau), weshalb sich die Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung inzwischen nicht mehr nur als Beleg für die Leidensbereitschaft von Millionen Häuschenbauern lesen lassen, die der Staat mit Millionen in Form der Pendlerpauschale subventioniert (und die Kritiker als Mit-Ursache dieser Daseinsform am liebsten abschaffen wollen). Neben den Fans von Eigenheim mit Rasenstück gibt es aber zunehmend die unfreiwilligen Pendler, deren Gehälter schlicht nicht mehr reichen, um den knapper und allein deswegen teurer werdenden City-Wohnraum zu bezahlen. Eine Antwort auf diese Seite des Problems wäre der massive Aus- und Neubau günstiger Innenstadtwohnungen.

Häufige Jobwechsel und Partner, die nicht dauernd umziehen wollen

Doch auch der moderne Lebensstil macht den Menschen wieder zu dem Jäger und Sammler, der er vor der Sesshaftwerdung war: Heute jagt und sammelt er statt Bären und Beeren den nächsten besseren Job, weshalb häufig der Arbeitgeber gewechselt wird, und weil die Frau nur noch im Bundespräsidentenhaushalt „seinetwegen“ wie selbstverständlich ihren Job aufgibt, müssen in anderen Familien Zugeständnisse gemacht werden. Und sei es für die Kinder, denen man den Garten zum Austoben bietet und Umzüge mit Schulwechsel nicht so gern zumutet – wobei man oft vergisst, dass der heimische Rasen nur eine gewisse Zeit attraktiv für Heranwachsende ist. Und dass auch die, wenn sie etwas erleben wollen, irgendwann lange Wege haben werden.

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