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Politik: Argentinier war Ratzingers Konkurrent Italienische Zeitschrift berichtet vom Konklave

Wie es bei der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst zugegangen ist, konnte man bisher aus schwammigen Andeutungen einzelner Konklave-Teilnehmer zusammenpuzzeln. Am Freitag aber hat die politische Zweimonatszeitschrift „Limes“ in Rom das Tagebuch eines ungenannten Kardinals veröffentlicht, und dessen Aufzeichnungen – wenn sie denn so stimmen – werfen einige Spekulationen über den Haufen.

Wie es bei der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst zugegangen ist, konnte man bisher aus schwammigen Andeutungen einzelner Konklave-Teilnehmer zusammenpuzzeln. Am Freitag aber hat die politische Zweimonatszeitschrift „Limes“ in Rom das Tagebuch eines ungenannten Kardinals veröffentlicht, und dessen Aufzeichnungen – wenn sie denn so stimmen – werfen einige Spekulationen über den Haufen. Als von Wunschträumen genährt entpuppen sich frühere Berichte, dem „liberalen“, „fortschrittlichen“ Lieblingskandidaten des progressiven Kirchenflügels, Carlo Maria Martini, sei es gelungen, den von Anfang an sehr starken Ratzinger herauszufordern. Gegenüber dem damaligen Chef der Glaubenskongregation – 47 Stimmen im ersten Wahlgang – erhielt Martini ganze neun Voten.

Als wirklich starker Mann stellt sich nun der Kardinal von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, heraus. Ihn, so heißt es in dem Tagebuch, hätten vor allem europäische sowie nord- und einige südamerikanische Kardinäle als Kandidaten gegen Ratzinger aufgebaut. Ziel sei es gewesen, dem italienischstämmigen Argentinier zumindest eine derart starke Sperrminorität zu sichern, dass sich Ratzinger spätestens am dritten Wahltag zurückgezogen hätte.

Als „Kern“ dieser Oppositionsgruppe bezeichnet der anonyme Autor den Mainzer Kardinal Karl Lehmann und seinen Brüsseler Amtsbruder Godfried Daneels. In der Tat sei es den beiden gelungen, 40 Stimmen für Bergoglio zu sammeln. Der 69-jährige Jesuit gilt zwar auch als entschieden konservativ – unter anderem hat er die Befreiungstheologie abgelehnt –, im Gegensatz zum Dogmatikprofessor Ratzinger aber als menschennaher, pragmatischer Seelsorger, darüber hinaus als meditativer Theologe von vorbildhaft solidarisch-schlichtem Lebenswandel.

Dann aber, fährt das Tagebuch fort, sei aus seinen Reaktionen zu befürchten gewesen, der demütige, von einer früheren Lungenkrankheit geplagte Bergoglio werde die Wahl ausschlagen; auch hätten zwei lateinamerikanische Kurienkardinäle aus Angst vor einer Niederlage Ratzingers ihre Amtsbrüder derart bearbeitet, dass diese im entscheidenden vierten Wahlgang umgeschwenkt seien. Und so – es war der 19. April, nur 24 Stunden nach Beginn des Konklaves – erhielt Ratzinger die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Bergoglio stieg dem Tagebuch zufolge als Zweitplatzierter mit 26 Stimmen in allen Ehren aus. Gleichwohl waren dem späteren Benedikt XVI. nicht alle Herzen zugeflogen. Von den 115 Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle wählten ihn genau 84, also nur sieben mehr als zur Zweidrittelmehrheit nötig. 1978 hatte Karol Wojtyla 99 von 111 Stimmen bekommen. Kardinal Karl Lehmann indes wollte die Enthüllungen nicht kommentieren. Er zumindest fühle sich an das Konklavegeheimnis gebunden, sagte seine Sprecherin.

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