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Politik: „Argumente statt Fäuste“

Kfor-Chef Roland Kather über die Gegenwart und Zukunft des Kosovo

Der UN-Gesandte für den Kosovo, Martti Ahtisaari, hat der Balkan-Kontaktgruppe am Wochenende erste Vorschläge über den künftigen Status des Kosovo vorgelegt. Experten gehen davon aus, dass die Unabhängigkeit kommt. General Roland Kather, Kommandeur der Schutztruppe Kfor, ist mit der Lage in dem Land vertraut.

Herr Kather, wie ist die aktuelle Situation?

Die Entwicklung ist vorangeschritten, in allen Bereichen. Kein Vergleich mit der Zeit kurz nach dem Krieg. Damals war das Land zerstört, es herrschte schlichtweg Anarchie. Heute sind fast alle Häuser wieder aufgebaut, die Kinder gehen zur Schule, die Studenten zur Universität. Hier findet weitgehend ein normaler Alltag statt. Ich bin absolut sicher, dass mehr als 90 Prozent der Bevölkerung hier nur eines wollen: in Frieden und Freiheit leben.

Wie kommen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen miteinander aus?

Die ethnischen Auseinandersetzungen werden weniger, aber es gibt immer wieder Rangeleien zwischen Albanern und Serben. Die Menschen müssen einfach noch lernen, dass man die Argumente besser in Debatten und Diskussionen in Parlamenten austauscht statt mit Fäusten auf der Straße. Und: Demokratie heißt immer auch Kompromiss. Man muss seinen Schäfchen immer wieder sagen, dass Gewalt überhaupt keine Zukunft hat.

Würden Sie die Lage als stabil bezeichnen?

Aus Sicherheitssicht ist die Situation im Augenblick ruhig. Ich hoffe, dass es so bleibt. Aber man weiß nie, was kommt.

Sind die Menschen im Kosovo denn bereit für die Unabhängigkeit?

Die albanische Mehrheit rechnet fest damit. Das macht es für mich schwierig. Denn die Serben lehnen die Unabhängigkeitsbestrebung der Albaner nach wie vor ab. Was auch immer kommen mag: Ich bin ziemlich sicher, dass die Menschen die Entscheidung akzeptieren werden. Das haben meine Gespräche mit politischen und religiösen Führern gezeigt. Beide Seiten sind guten Willens.

Wie bereiten Sie die Kosovaren auf die Zukunft vor?

Die Leute sind hier viel zu sehr mit ihrem eigenen Alltag beschäftigt und kümmern sich wenig darum, was die große Politik treibt. In Pristina, wo das Kfor-Hauptquartier untergebracht ist, lesen von fast 500 000 Einwohnern nur knapp 8000 eine Zeitung. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir die Menschen auf der Straße direkt ansprechen und sie darüber aufklären, was auf sie zukommt. Man spürt förmlich: Die Leute saugen die Informationen auf wie ein Schwamm. Diese Verständigung ist gut für beide Seiten: Dort, wo geredet und diskutiert wird, entsteht Vertrauen. Und wo Vertrauen ist, wird nicht geschossen.

Mit welchen Sorgen kommen die Leute zu Ihnen?

Vor einiger Zeit habe ich mit einem serbisch-orthodoxen Pfarrer gesprochen. Er befürchtet, dass viele Serben das Land verlassen, wenn die Unabhängigkeit kommt. Sie haben Angst, ihre Rechte könnten als Minderheit nicht genügend berücksichtigt werden. Der Geistliche hat mir versprochen, dass er alles daransetzen wird, den Menschen klarzumachen, dass sie bleiben müssen.

Warum ist ein baldiger Entschluss über den Status des Landes so wichtig?

Im Zuge der laufenden Statusverhandlungen sind die Erwartungshaltungen inzwischen sehr hoch. Die Leute sitzen hier wie das Kaninchen vor der Schlange und warten auf die Entscheidung. Es wäre zu begrüßen, wenn der Plan bis Ende des Jahres steht. Für den UN-Gesandten Ahtisaari ist das eine Wahnsinnsaufgabe. Es muss eine Lösung geben, mit der alle leben können. Ich bin optimistisch, dass es gelingt.

Das Gespräch führte Sarah Kramer.

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