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Politik: Arm gegen Reich

Entwicklungsländer und Industriestaaten streiten über Freihandel

Von

Von Dagmar Dehmer

und Hans Monath

Drei Wochen lang haben die USA gar keinen Kommentar abgegeben. Die Agrarreform, auf die sich die europäischen Minister Ende Juni geeinigt haben, „muss sie wohl ziemlich überrascht haben“, vermutet Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne). Der europäische Agrarkompromiss sei eine „ausgezeichnete Verhandlungsgrundlage für die aktuelle Welthandelsrunde“ fand auch EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Mitte August einigten sich die USA und die Europäische Union überraschend auf ein gemeinsames Eckpunktepapier für die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) Mitte September in Cancun. Am Donnerstag legten drei Schwellenländer – Brasilien, Indien und China – nach. Die beiden größten Handelsmächte gehen ihnen beim Abbau von Zöllen und Subventionen nicht weit genug.

In der EU werden künftig Agrarsubventionen zum größten Teil nur noch dann ausgezahlt, wenn die Bauern dafür besondere Leistungen im Tier- und Umweltschutz erbringen. Damit gilt ein Großteil der europäischen Agrarsubventionen künftig nicht mehr als marktverzerrend. Nach der Reform gehören die europäischen Zahlungen an die Bauern überwiegend zu den bisher unbegrenzt erlaubten Subventionen. Damit war das größte Hindernis für eine Einigung mit den USA aus dem Weg geräumt.

Allerdings haben die stark exportorientierten Staaten der Cairns-Gruppe, zu denen etwa Neuseeland und Kanada zählen, auch gegen diese nicht marktverzerrenden Subventionen eine Menge einzuwenden. Und auch Brasilien, China und Indien, die nun eine gemeinsame WTO-Verhandlungsposition formuliert haben, verlangen eine absolute Obergrenze für diese erlaubten Zahlungen. Dagegen wehren sich die USA genauso heftig wie die Europäer. „Ziel kann es ja nicht sein, dass in den Industrieländern gar keine Landwirtschaft mehr stattfindet“, sagt Künast.

Dagegen haben die USA und die EU Verhandlungsbereitschaft über die ungeliebten Exportförderungen signalisiert. Bisher bezahlt die EU für zu viel erzeugte Produkte Exportsubventionen, um ihren Preis auf Weltmarktniveau zu drücken. Die USA vergeben Exportkredite, oder die Regierung kauft die unverkäuflichen Waren gleich selbst auf und schickt sie als Nahrungsmittelhilfe in Entwicklungsländer. Der Effekt ist für viele arme Länder verheerend: Ihre eigenen Agrarmärkte brechen zusammen, die Exportchancen schwinden. Die USA und die EU sind nun bereit, mit einigen Ausnahmen über ein Auslaufen der Exportsubventionen in den kommenden zehn Jahren zu verhandeln. Einigkeit besteht auch darüber, dass Entwicklungsländer weniger Zölle bezahlen sollen, wenn sie Produkte in Industriestaaten exportieren. Das soll aber vor allem für die ärmsten Länder gelten. Schwellenländer wie Brasilien zählen aus EU-Sicht nicht dazu.

Allerdings herrscht zwischen den USA und der EU trotz der gemeinsamen Verhandlungsposition noch keine Einigkeit. Die USA halten beispielsweise die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Produkten für ein unerlaubtes Handelshemmnis. Für die Europäer gilt dies aber als vorsorgender Verbraucherschutz. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hält darüber hinaus auch die amerikanischen Hilfen für die Baumwollbauern für „eine besonders skandalöse Form“, die Lebenschancen schwächerer Länder, wie beispielsweise Mali, zu torpedieren. „Es ist eine solche Perversion, dass man dem ein Ende setzen muss“, fordert die Ministerin. Sie will aber zunächst in der eigenen Nachbarschaft anfangen, denn auch die EU-Staaten Griechenland und Spanien erhalten aus Brüssel noch Subventionen für ihre Baumwolle.

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