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Politik: Arm in Arm mit Kadyrow

Im Wiener Prozess um Mord an Tschetschenen geht es auch um Auftraggeber

Berlin - Das Verbrechen geschah am helllichten Tag mitten in Wien. Der Tschetschene Umar Israilow kommt am 13. Januar 2009 gegen 12 Uhr vom Einkaufen, als er die beiden Männer entdeckt, die ihn entführen wollen. Er schleudert einem von ihnen seine Einkäufe ins Gesicht und flüchtet. Rennt vor ein Auto, stürzt, läuft weiter. Die beiden Männer verfolgen ihn, es fallen zwei Schüsse. Einer der Angreifer schlägt den 27-Jährigen viermal mit der Pistole gegen den Hinterkopf, doch er rennt weiter. Jetzt wollen sie ihn nicht mehr entführen, sondern töten. Ein Verfolger gibt drei Schüsse auf den Flüchtenden ab. Israilow stirbt später im Krankenhaus. Für diese Tat müssen sich ab Dienstag drei Tschetschenen vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen verantworten.

Doch das Verfahren wirft die Frage nach denjenigen auf, die nicht auf der Anklagebank sitzen: den Hintermännern. „Es ist davon auszugehen, dass die Ermordung Israilows tatsächlich von (dem tschetschenischen Republikchef) Ramsan Kadyrow gesteuert worden ist und daher einen politisch motivierten Hintergrund hat“ – zu diesem Schluss kamen die Ermittler vom österreichischen Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Der Verdacht, dass Kadyrow und zwei seiner Vertrauten Auftraggeber der Tat seien, werde „durch unzählige Hinweise und Aussagen sogar dokumentiert“, heißt es in dem 214-seitigen Bericht der Verfassungsschützer, der dem Tagesspiegel vorliegt. Auch die Staatsanwälte gehen davon aus, dass der Auftrag für eine Entführung Israilows im Namen der Führung der russischen Teilrepublik Tschetschenien erteilt wurde. Erstmals geht es damit vor einem europäischen Strafgericht indirekt um Kadyrows Verwicklung in Morde und Entführungen.

Dem tschetschenischen Republikchef werden seit Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Viele Separatisten zwang er, in seine Sicherheitskräfte einzutreten. Einer von ihnen war Umar Israilow. Er wurde 2003 von Kadyrows Milizen gefangen genommen und gefoltert, nach seinen Worten auch von Kadyrow persönlich. Sie zwangen ihn, in Kadyrows Leibwache zu arbeiten – dort soll er sich selbst an Verbrechen beteiligt haben. Später floh er mit seiner Frau nach Europa und bekam in Österreich Asyl. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte reichte er Klage gegen Russland ein, beschuldigte Kadyrow der Folter. Im Mai 2008 bekam Israilow Besuch von einem Mann, der später aussagte, Kadyrow habe ihn geschickt, Israilow nach Tschetschenien zu bringen. Der Besucher forderte Israilow auf, das Verfahren einzustellen und nach Tschetschenien zurückzukehren. Er drohte, es warteten bereits zwei Leute darauf, ihn zu töten. Doch Israilow lehnte eine Rückkehr ab.

Im Oktober reiste ein enger Kadyrow-Vertrauter nach Wien. Er soll den Exil-Tschetschenen Otto K. mit der „Rückführung“ Israilows beauftragt haben. Otto K. reiste wenig später nach Tschetschenien und traf dort Kadyrow. Zwei Erinnerungsfotos auf seinem Handy zeigen ihn Arm in Arm mit Kadyrow, in privater Umgebung. Als Otto K. nach Wien zurückkehrte, soll er die Tat mit drei anderen Tschetschenen vorbereitet haben. Die Ermittler nehmen an, dass eine Entführung geplant war, mit dem Ziel der „Überlieferung an eine ausländische Macht“. Falls der Plan schiefgehen würde, sollte Israilow getötet werden. Otto K. und zwei weitere Männer stehen nun vor Gericht, der mutmaßliche Todesschütze konnte fliehen. Nach der Tat rief Otto K. dreimal in Russland an. Einer seiner Gesprächspartner war der Vertraute Kadyrows.

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