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Politik: Armee ohne Soldaten

Afghanistans Kriegsherren blockieren Aufbau der Streitkräfte

Das Ziel war hoch gesteckt: Afghanistan sollte eine nationale Armee bekommen, die innerhalb eines Jahres einsatzfähig sein sollte. Das gab Interimspräsident Hamid Karsai im Dezember vergangenen Jahres bei der Petersberger Konferenz bekannt. Der Aufbau nationaler Streitkräfte scheiterte jedoch schon mehrmals am Widerstand der Provinzfürsten, die sich – nicht zuletzt zusammen mit Washingtons Soldaten im Endkampf gegen die Taliban – Privatarmeen von bis zu 30 000 Mann zulegten. Die gelten als eine sichere Basis beim zu erwartenden Machtgerangel vor den für Mitte kommenden Jahres geplanten Wahlen. Mit ihren Privatarmeen verfolgen die Kriegsherren aber auch handfeste kommerzielle Interessen: Deren Straßenposten sichern den illegalen Handel mit den Nachbarstaaten, vor allem Iran, Turkmenien und Pakistan. Allein in die Kassen von Ismail Khan, dem Gouverneur von Herat, spülen die Umgehung von Einfuhrzöllen und die Mautgebühren für den sicheren Transport zwischen 100 000 und 300 000 US-Dollar jährlich.

Ein Treffen mit einflussreichen Warlords, bei dem es um die Eingliederung von Einheiten aus den Privatarmeen in die regulären Streitkräfte und die Entwaffnung der überzähligen Truppen ging, endete vor kurzem ergebnislos. Khan, der 25 000 Mann unter Waffen hat, sich „Emir des Südwestens“ nennen lässt und aus seiner Verachtung für Karsai kein Hehl macht, war zu dem Treffen gar nicht erst erschienen. Ebensowenig sein Geschäftspartner und Gouverneurskollege aus der einstigen Taliban-Hochburg Kandahar, Gul Agha Shirsai, einer der einflussreichsten Führer der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit und glühender Anhänger von Exkönig Sahir Schah. Abwesend war auch Usbeken-General Abdurraschid Dostum, nominell Vizeverteidigungsminister, vor allem aber souveräner Herrscher des Nordens mit dem Zentrum Masar-i-Scharif, wo seine Milizen sich heftige Kämpfe mit Truppen von Expräsident Burhanuddin Rabbani liefern.

Zentralbankchef Anwar Ulhaq Ahadi spricht von einem regelrechten Teufelskreis: Nur mit einer regulären multi-ethnischen Armee könne die Regierung sich auf dem flachen Lande durchsetzen und die Gouverneure zu Abgaben an den Staatshaushalt zwingen. Doch der Aufbau eben dieser Einheiten scheitert nicht zuletzt an leeren Kassen. Nach wie vor bilden Kontingente der einstigen Nordallianz das Rückgrat der afghanischen Armee. Formell sind die Soldaten auf Karsai als Oberbefehlshaber vereidigt – im Ernstfall wären sie jedoch wohl eher auf Karsais Gegenspieler, Verteidigungsminister Fahim, fixiert. Die „neue“ Armee besteht bisher aus drei von den Briten gedrillten Bataillonen. Zwar sollen im nächsten Jahr 12 000 weitere Kämpfer einsatzbereit und ausgerüstet sein. Nach Meinung von Experten braucht die Regierung jedoch ein Minimum von 70 000 Soldaten, um sich behaupten zu können – zumal sich die Taliban neu formieren und zunehmend Bündnisse mit jenen eingehen, die im Anti-Terror-Kampf ihre Gegner waren: Paschtunenführer, die immer vehementer gegen Karsai rebellieren, in dessen Kabinett die eigentliche Macht in den Händen der tadschikischen Minderheit liegt.

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