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Bilder der Vergangenheit: Der Verfolgung zwischen 1915 und 1918 im Osmanischen Reich fielen bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer.

© AFP

Armenien: Bundestag nennt Massaker nun doch "Völkermord"

Der Bundestag gibt dem massiven Druck nach und will das Massaker an Armeniern 1915 nun doch Völkermord nennen. Die Bundesregierung aber vermeidet den Begriff weiterhin.

Von Hans Monath

Im Streit um die Benennung der Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als „Völkermord“ haben die Spitzen der Koalitionsfraktionen dem massiven politischen und gesellschaftlichen Druck nachgegeben. Sie übernehmen den umstrittenen Begriff nun doch in den  Entschließungsantrag, den Union und SPD am Freitag zum 100. Jahrestag des Beginns der Massenmorde im Bundestag in erster Lesung debattieren wollen. In dem Text heißt es nun, das Schicksal der Armenier stehe „beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist“. Beide Fraktionen betonen auch: „Dabei wissen wir um die Einzigartigkeit des Holocaust, für den Deutschland Schuld und Verantwortung trägt.“ Dies erklärten die stellvertretenden Fraktionschefs Franz Josef Jung (CDU) und Rolf Mützenich (SPD) am Montag.

Vor allem auf Druck des Auswärtigen Amtes hatten die Spitzen beider Fraktionen zuvor auf den Begriff verzichtet – und damit heftigen Protest von Bundestagsabgeordneten beider Koalitionsfraktionen sowie von 150 Wissenschaftlern provoziert. Sie sahen in dem Verzicht  eine falsche Rücksichtnahme auf die türkische Regierung. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des osmanischen Reiches lehnt es ab, von Völkermord zu sprechen.

Steinmeier geht auf Kritiker zu

Die Bundesregierung selbst will den Begriff Völkermord allerdings weiterhin vermeiden, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Wochenende deutlich machte. Allerdings ging der SPD-Politiker auf die Kritiker im Bundestag zu und erklärte, er habe Verständnis dafür, dass Abgeordnete das umstrittene Wort verwenden wollten. In Berlin wird damit gerechnet, dass auch Bundespräsident Joachim Gauck das Geschehen von damals als Völkermord wertet, wenn er am Donnerstagabend auf einem Gedenkgottesdienst beider großer Kirchen zum Thema spricht.

Das Auswärtige Amt begründet seine vorsichtige Sprachwahl mit dem Argument, Erinnerungskultur ließe sich nicht von außen oktroyieren, Versöhnung müsse aus den Zivilgesellschaften Armeniens und der Türkei erwachsen. Nach Angaben aus Koalitionskreisen spielt auch die Überlegung eine Rolle, die Türkei als Partner beim Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ nicht zu verprellen.

Der Antragstext beklagt nicht nur die „Taten der damaligen türkischen Regierung, die zur fast vollständigen Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich geführt haben“. Der Bundestag bedauert auch ausdrücklich „die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das trotz eindeutiger Informationen über die organisierte Vertreibung und Vernichtung der Armenier nicht versucht hat, diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen.“

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