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Politik: Armutsbericht: Mehr arme Deutsche - und mehr reiche

Die rot-grüne Bundesregierung hat zum ersten Mal klar eingestanden, dass es auch in einem reichen Land wie Deutschland soziale Ausgrenzung gibt. Besonders davon bedroht seien Arbeitslose, Geringqualifizierte sowie allein Erziehende und kinderreiche Familien, heißt es im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.

Von Matthias Meisner

Die rot-grüne Bundesregierung hat zum ersten Mal klar eingestanden, dass es auch in einem reichen Land wie Deutschland soziale Ausgrenzung gibt. Besonders davon bedroht seien Arbeitslose, Geringqualifizierte sowie allein Erziehende und kinderreiche Familien, heißt es im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Der unter Federführung des Bundesarbeitsministeriums erstellte Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, soll am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. Er bilanziert, dass die Schere zwischen Arm und Reich vor allem bei den Einkommen langfristig immer weiter auseinandergeht.

13 000 Deutsche sind Einkommensmillionäre, sie verdienten im Durchschnitt drei Millionen Mark pro Jahr. Als Geringverdiener gelten dem Bericht zufolge bis zu 20 Prozent der Bevölkerung, wobei die Ungleichheit vor allem im Westen kontinuierlich zunahm. Weit mehr als Deutsche waren Ausländer von Niedrigeinkommen betroffen - und damit auch von Arbeitslosigkeit oder dem Sozialhilferisiko bedroht.

Extrem unterschiedlich war die Verteilung der Vermögen zwischen Ost und West: Das durchschnittliche Privatvermögen je West-Haushalt belief sich auf etwa 254 000 Mark, in den neuen Ländern wurden mit rund 88 000 Mark nur etwa 35 Prozent dieses Betrages ermittelt. Die Schere zwischen Arm und Reich zeigt sich klar daran, dass die untere Hälfte der Haushalte in Ost wie West lediglich über 4,5 Prozent des gesamten Vermögens verfügt, bei einem durchschnittlichen Vermögen pro Haushalt von 8000 Mark.

Deutlich lässt sich Armut in Deutschland an der Überschuldung privater Haushalte festmachen. Die Zahl der Überschuldungsfälle wurde 1999 auf rund 2,8 Millionen geschätzt, was einem Anteil von sieben Prozent der bundesdeutschen Haushalte entspricht. Die starke Zunahme von rund 30 Prozent im Vergleich zu 1994 ist vor allem auf die Entwicklung in den neuen Ländern zurückzuführen, wo Arbeitslosigkeit der wesentliche Auslöser von Überschuldung war. Die Überschuldung konzentriert sich zwar auf die Altersgruppe zwischen 20 und 50 Jahren, begint aber oft schon in der Jugend. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Sozialhilfe-Bezieher: Ende 1998 erhielten 2,88 Millionen Menschen in 1,5 Millionen Haushalten Hilfe zum Lebensunterhalt.

Die Regierung versichert, sie unternehme "erhebliche Anstrengungen", um Armutsrisiken zu minimieren und soziale Ausgrenzung zu verhindern. Sie sei entschlossen, "für eine sozial ausgleichende Politik" einzutreten und verweist dazu auf die Steuerreform und den von ihr angestoßenen Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt.

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