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Die Gruppe der Rentner fällt in der Statistik im Osten Deutschlands aus dem Rahmen.

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Armutsrisiko: Die sorglosen Ost-Rentner

Die Statistik sagt: In den neuen Bundesländern sind besonders viele Menschen armutsgefährdet – die über 65-Jährigen aber nicht.

Von Matthias Schlegel

Berlin - 23,1 Prozent der Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns waren im Jahr 2009 armutsgefährdet. Damit nimmt das nordöstliche Bundesland den Spitzenplatz in Deutschland ein, dicht gefolgt von Sachsen-Anhalt und Bremen. Das geht aus Daten hervor, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag veröffentlichte. Danach lagen auch Berlin und Brandenburg noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt, der 14,6 Prozent betrug und gegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen ist.

Im Süden waren deutlich weniger Menschen von Armut bedroht: In Baden-Württemberg lag die Quote bei knapp elf, in Bayern bei knapp über elf Prozent. Insgesamt war die Armutsgefährdung in Ostdeutschland (19,5 Prozent) wesentlich größer als in Westdeutschland (13,3 Prozent). Dass dies mit der höheren Erwerbslosenquote im Osten zusammenhängt, liegt auf der Hand, wird aber vom Statistischen Bundesamt nicht bestätigt, weil es „nicht belegbar“ sei, wie eine Sprecherin sagt.

Nach der Definition der Europäischen Union ist armutsgefährdet, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung auskommen muss. In Deutschland sind das für einen Alleinstehenden 801 Euro, für eine Familie mit zwei Kindern 1683 Euro. Das heißt, dass nur das aktuelle Einkommen, nicht aber vorhandenes Vermögen, etwa Wohneigentum, in die Berechnung einbezogen wird. Allerdings werden dem Einkommen auch Zinseinkünfte zugerechnet. Wer also nach dieser Definition armutsgefährdet ist, muss nicht unbedingt arm sein.

Das ist ein durchaus fragwürdiger Ansatz, gleichzeitig aber wohl ein unausweichlicher Kompromiss. Denn staatliche Behörden und erst recht die EU halten sich mit einer Festlegung auf den ungeschminkten Begriff Armut zurück – weil sich nationale Lebensstandards und Wohlstandsansprüche zum Teil recht deutlich unterscheiden und auch die Einbeziehung von Vermögenswerten an datenschutzrechtliche Grenzen stößt.

Bezieht man allein Einkünfte ein, liegt nahe, dass Erwerbslose eine deutlich höhere Armutsgefährdungsquote aufweisen. So sind in Sachsen-Anhalt 70,4 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern 65,2 Prozent der Erwerbslosen armutsgefährdet, während es in Baden-Württemberg und Bayern nur reichlich 41 Prozent sind. Gerade diese Differenz macht die Problematik des Erhebungsansatzes deutlich.

Ist der Osten insgesamt weitaus stärker armutsgefährdet, fällt eine Gruppe aus dem Rahmen: die über 65-Jährigen. Wegen der längeren Lebensarbeitszeiten und dem höheren Frauenbeschäftigungsgrad im Osten ist das Rentenniveau noch immer so hoch, dass nur zehn Prozent dieser Altersgruppe armutsgefährdet sind. Im Westen Deutschlands sind es 13 Prozent.

Eine Unschärfe in der Auflistung ergibt sich auch daraus, dass alle Einkommensangaben dem Bundesdurchschnitt – dem Bundesmedian, wie der Statistiker sagt – gegenübergestellt wurden. Doch zum Teil erhebliche Unterschiede im regionalen Miet- und Preisniveau führen dazu, dass gleiche Einkommen hier und dort unterschiedlich viel wert sein können. Deshalb bieten die Statistiker auch Übersichten über regional unterschiedliche „Armutsgefährdungsschwellen“ an.

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