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Politischer Aschermittwoch

© ddp

Aschermittwoch: „Edmund, wir vermissen Dich!“

Das Führungsduo Beckstein/Huber bringt den Saal nicht zum Toben – Ovationen gibt es nur für Edmund Stoiber.

Von Robert Birnbaum

Man kann dem Horst Seehofer eine gelegentliche Begabung zum Prophetischen nicht ganz absprechen. Früh am Mittwoch blickt der CSU-Vize in der Passauer Dreiländerhalle sinnend hinauf zu den Transparenten, die die CSU-Landesleitung längs der Hallenwand hat anbringen lassen. Die üblichen Grußplakate hängen dort, auf denen die aus Hollenstedt, die aus Peine und andere Nordlichter ihre Treue zum politischen Aschermittwoch bekunden. Daneben steht sozusagen das Wunschprogramm des Tages in Kurzfassung zu lesen: „Bayern-Power im Doppelpack“. Wie das werden wird diesmal, im Jahre eins nach Edmund Stoiber? Seehofer zuckt leicht mit den Schultern. „Wir können nicht jedes Mal die Welt aus den Angeln heben.“

Das Problem ist nur, dass das Publikum seit 55 Jahren von der CSU genau dies erwartet, wenigstens für die drei, vier Stunden, die der „größte Stammtisch der Welt“ beisammenhockt. Doch diesmal liegt ein vorausfühlender Entzugsschmerz über der Halle. Ein älterer Herr im Trachtenanzug hat den Grund auf ein Plakat gepinselt: „Edmund, wir vermissen Dich!“ Jedes Mal, wenn einer der Redner den Namen nennt, brandet ein regelrecht frenetischer Applaus auf und eine Woge von „Edmund“-Rufen. Der Vermisste sitzt stumm am Vorstandstisch und verfolgt von hinten die Bemühungen seiner Nachfolger. Er wird abends eine eigene Aschermittwochspredigt halten, ein Ortsverein bei München hat eingeladen.

Die Nachfolger haben zu strampeln, was insofern passt, als sie von sich selbst gerne als „Tandem“ reden. Zwar üben Günther Beckstein und Erwin Huber sich brav in der ortsüblichen Großmannssucht und begrüßen 6000 Zuhörer – die Wahrheit liegt näher bei der Hälfte. Zwar folgen beide auch dem alten Aschermittwochsbrauch, die CSU als Bollwerk gegen Sozis, Linke, Alt- und „Neokommunisten“ zu rühmen. Aber der Saal mag nicht toben. Worüber auch? „Ich bin ein nüchterner und seriöser Mensch“, sagt Beckstein, der als Ministerpräsident den Part „Bayern vorn“ übernommen hat, während Huber als Parteichef mehr fürs große Ganze spricht. Beckstein konzentriert sich auf die Vorzüge von Wirtschaftsförderung via „Clusterpolitik“, verspricht bayerischen Eltern die Lösung ihrer Schulprobleme und bittet die Zugereisten unter den Zuhörern, als „Missionare“ das Loblied der CSU auch jenseits der Landesgrenzen zu verbreiten.

Eins muss Beckstein allerdings doch loswerden. Die Hessen-Wahl, sagt er, die beweise gar nichts. Natürlich könne und müsse man weiter über innere Sicherheit reden. Natürlich habe sich das Konservative nicht erledigt, „Hessen-Wahl hin oder her.“ So oft redet Beckstein von der bitteren Niederlage des Roland Koch, dass man merkt: Das ist ihnen in die Knochen gefahren.

Dann kommt Huber, und man muss zu seiner Ehre sagen: Ein begnadeter Redner wird auch aus ihm nicht mehr – aber er hat sich wenigstens etwas vom traditionellen Passauer Poltergeist ins Manuskript schreiben lassen. „Irrtum, dein Name ist SPD“, ruft er zwischendurch, nennt die Ober-Grüne Claudia Roth „die Nervensäge der Nation“ und bescheinigt dem SPD-Chef Kurt Beck einen Linksruck aus Angst vor Oskar Lafontaine: „Dieser Mann hat die Hosen voll, und damit ist er nicht geeignet, dieses Land zu regieren!“ Da erntet er zum ersten Mal einen anerkennenden Applaus. „Keine Macht den linken Chaoten“, ruft Huber, „und keine Macht den rechten Idioten!“

Auch der innere Gegner kommt vor, kurz. „Wir brauchen das Soziale in der CSU nicht neu zu erfinden“, sagt Huber. „Es gibt in der CSU keine neoliberalen Kräfte.“ Das gilt Seehofer. Der hat vor einer Renaissance des Neoliberalen gewarnt. Das war formal eine Replik auf den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Es gehörte aber wenig Fantasie dazu, es auch auf Huber gemünzt zu lesen. Am Schluss dankt Hubers Generalsekretärin Christine Haderthauer noch einmal allen, die gekommen sind. Auch Stoibers Name fällt. Da braust auf einmal wieder eine „Edmund“-Welle durch den Saal, minutenlang, unaufhaltsam. Das ist der Unterschied. Stoiber hat hier in Passau in seinen besten Jahren die kleine Welt der CSU aus den Angeln gehoben. Das hat das Publikum halt im Jahre eins nach Edmund noch nicht vergessen.

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