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Saigon 21. Mappus in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam.

© dpa

Asienreise: Mappus und der große Bahnhof

In Asien wird Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus hofiert – doch Stuttgart 21 reist immer mit.

Im Angesicht der Konfuzius-Statue im Literaturtempel erinnert sich Stefan Mappus an eine Weisheit des chinesischen Philosophen: „Ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“ Doch als der baden-württembergische Regierungschef den Ausgang der fast 1000 Jahre alten Sehenswürdigkeit im Herzen Hanois fast erreicht hat, bremst ihn ein Thema aus gut 8700 Luftkilometern Entfernung: „Wir sind aus Sachsen“, ruft ihm eine Gruppe zu. „Aber wir sind ein Volk“, schiebt der vietnamesische Reiseleiter, der einst in der DDR Deutsch lernte, lachend nach. „Wann wird der Bahnhof gebaut?“, fragt eine ältere Dame. „Der wird schon gebaut“, erwidert der 45-jährige CDU-Politiker. „Setzen Sie sich durch!“, wird er aufgemuntert. Es ist Mappus’ erste große Delegationsreise als Regierungschef. Seine Frau Susanne und zahlreiche Firmenchefs, Bankvorstände und Hochschulrektoren begleiten ihn auf der Sechs-Tage- Tour durch Malaysia, Vietnam und Singapur. Er spricht mit Premierministern, eröffnet Wirtschaftsmessen, besucht Firmen und unterzeichnet Kooperationsverträge im Bildungsbereich. In den südostasiatischen Ländern herrscht eine Art Goldgräberstimmung, und Mappus will Mittelständler aus der Heimat bei der Verteilung der Schürfrechte in der Wachstumsregion unterstützen.

Wenn Mappus am heutigen Dienstag in die Heimat zurückkehrt, tagt erstmals der Untersuchungsausschuss öffentlich, der die Hintergründe des blutigen Polizeieinsatzes am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten beleuchten soll. In wenigen Tagen wird Schlichter Heiner Geißler verkünden, wie es aus seiner Sicht mit dem umstrittenen Bahnprojekt weitergehen soll. Auch in Südostasien reist das Megathema Stuttgart 21 immer mit. „Hier kann man noch planen und zügig umsetzen – ohne Demonstrationen“, seufzt Mappus beim Blick auf das großzügig bemessene Regierungsviertel in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur. In Stuttgart dagegen gilt es seiner Regierung schon als Erfolg, dass seit Beginn der Schlichtung nicht mehr zweimal, sondern nur mehr einmal pro Woche gegen das Bahnprojekt demonstriert wird. Die Proteste haben weltweit Schlagzeilen gemacht. So kommentiert Singapurs Premierminister Lee Hsin Loo die Einladung nach Baden-Württemberg: „Dann können wir ja den Bahnhof besichtigen.“ „Die Baustelle“, erwidert Mappus, und das übernächste Mal könnten sie dann Stuttgart unterirdisch durchqueren.

Seine Reise führt den Ministerpräsidenten aufs Dach des vietnamesischen Handelsministeriums. Eine von der Karlsruher Firma Altus konzipierte Solaranlage wird dort eingeweiht – die Redner feiern das Pilotprojekt als Meilenstein, fünf Kamerateams filmen. Die Leistung der Anlage reicht, um die Klimaanlage für drei der acht Ministeriumsstockwerke am Laufen zu halten. Für Vietnam und die umliegenden Asean-Staaten werde die Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne aber ein wichtiges Thema, sagt Mappus. „In diesen Ländern gibt es einen riesigen Energiehunger. Das ist ein Riesenmarkt. Wer da am Anfang den Fuß in der Tür hat, hat große Chancen, auch in Zukunft dabei zu sein.“ Beim Ausbau der Fotovoltaik, sagt der frühere Umweltminister den Vietnamesen, „ist mein Land gerne bereit, Sie weiter zu unterstützen“.

„Mein Land“: Mappus gefällt die Rolle des Regierungschefs. Die Möglichkeit, etwas bewegen zu können, sei toll, sagt er – wobei Politik „ja auch ein paar Schattenseiten“ habe. Es sind turbulente Monate, die hinter dem jungen Ministerpräsidenten liegen, mit Massenprotesten und historischen Umfragetiefs. Unterwegs erreicht ihn eine Allensbach-Umfrage: Bei 38 Prozent sieht das konservative Umfrageinstitut „die Baden-Württemberg-Partei“ CDU. „40 Prozent plus x“ sind Mappus’ Ziel für die Wahl im März 2011.

Zu Delegationsreisen lädt der Regierungschef immer auch einen Vertreter jeder Landtagsfraktion ein. Doch mit Verweis auf Stuttgart 21, erzählt Mappus, hätten die Grünen alle Reisen mit ihm abgesagt. Er finde das „kindisch“, weil er keinen Zusammenhang sehe und man im Ausland für Baden-Württemberg werben wolle. Viele Mitreisende tragen Pro-Stuttgart-21-Sticker. Angesichts der fünf Prozent, die Allensbach für die FDP ermittelt, ist die Hoffnung der meisten Wirtschaftsvertreter nun eher schwarz-rot. Er könne sich vor „Umarmungen“ kaum retten, berichtet SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, der mit durch Südostasien tourt.

Im Zentrum von Ho-Chi-Minh-Stadt entstehen gerade zwei S- und U-Bahn-Linien, eine Art Saigon 21. Mappus begeistert sich für „die Dynamik“ hier – und mahnt die deutsche Gesellschaft zu Veränderungen: „Wir leben in einer Idealwelt und sehen nicht so gerne, was in anderen Teilen der Welt läuft.“

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