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Politik: Asyl - Gefahr von links und rechts. Droht das brisante Thema endgültig zum Politikum zu verkommen?

Ein Jahr ist Marieluise Beck nun im Amt. Zeit für eine Bilanz, die durchaus bitter ist.

Ein Jahr ist Marieluise Beck nun im Amt. Zeit für eine Bilanz, die durchaus bitter ist. Mehr als einmal hat Bundesinnenminister Otto Schily die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung um den Schlaf gebracht. Jetzt ist es wieder einmal soweit. Mehrfach verkündete der SPD-Minister in den vergangenen Wochen, dass das deutsche Asylrecht im Zuge der europäischen Harmonisierung des Rechts keinen Bestand haben wird. Die Bündnisgrüne reagiert schon fast allergisch: Mit dieser Koalition werde es keine Änderung des Artikels 16 Grundgesetz geben, sagte sie am Dienstag in Berlin. "Das individuelle Recht auf Asyl der Flüchtlinge kriegt er nicht weg."

Damit ist die Gefahr jedoch keineswegs gebannt. Sie kommt nicht nur von "links", sie kommt vor allen von "rechts". Das weiß Beck. Prompt hat die Union den Ball aufgenommen, den Schily ins Rollen gebracht hatte. Genüsslich beruft sie sich auf Zahlen, die der Innenminister nennt: die Zahl von nur drei Prozent anerkannten Asylbewerbern und 97 Prozent "Wirtschaftsflüchtlingen". Am Dienstag forderte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" darum eine Änderung des gegenwärtigen Asylrechts.

Becks Hinweis, dass die Zahlen nicht stimmen, weil sie beispielsweise Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge nicht berücksichtigen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention auch in Deutschland Schutz genießen und nicht abgeschoben werden dürfen, fruchten wenig. Der Ausländerbeauftragten schwant denn auch nichts Gutes. Sie fürchtet eine "Millenniumsschlacht um das Asylrecht", bei der die Union die SPD vor sich hertreiben wird.

Nicht nur im Asylrecht könnte die Union am Ende die Nase vorn haben. Keineswegs ausgestanden ist auch der Streit um das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Mit gemischten Gefühlen erinnert sich Beck an den Versuch der Koalition, den Doppelpass einzuführen, an die Unterschriftenaktion der Union und das "Optionsmodell", das in Folge der Unions-Kampagne herausgekommen ist. Freimütig bekennt die Ausländerbeautragte, dass sie von diesem Modell "nicht wahnsinnig überzeugt" ist. Aber es ist nun einmal in der Welt und tritt am 1. Januar 2000 in Kraft. Danach soll die Einbürgerung leichter und schneller möglich sein und Mehrstaatigkeit unter bestimmten Voraussetzungen hingenommen werden. Immerhin ein Teilerfolg, meint Beck.

Doch das Rennen hat die Regierung damit noch nicht für sich entschieden. Denn das "Kleingedruckte" steht noch aus, die Verwaltungsvorschriften, die regeln, wie das Gesetz umzusetzen ist. Darin liegt Zündstoff: So verlangt das Ausländergesetz "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" als Voraussetzung der Einbürgerung. Doch wie sollen die nachgewiesen werden? Bayern denkt an Diktate. Beck genügt es, wenn der Ausländer im täglichen Leben keinen Dolmetscher braucht. Ferner fordert das Ausländergesetz, dass sich der Antragsteller "zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennt". Nur wie? Bayern besteht auf der Regelanfrage beim Verfassungsschutz, Nordrhein-Westfalen nicht. Auch Beck ist strikt dagegen: "Einen Generalverdacht der Verfassungsuntreue gegen die ausländische Wohnbevölkerung kann und darf es nicht geben."

Es wird nicht gelingen, die Verwaltungsvorschriften rechtzeitig zu verabschieden. Dann wird jedes Bundesland machen, was es will - wenn es überhaupt etwas tut. Denn die Behörden sind auf die neue Rechtslage vielfach nicht vorbereitet. Dann wird es nicht nur eine Flut von Gerichtsverfahren geben, auch ein sehnlicher Wunsch der Ausländerbeauftragten wird kaum in Erfüllung gehen: das Einbürgerungsverfahren "nicht zu Tode zu verwalten".

Beatrice von Weizsäcker

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