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Der wachsende Zustrom von Flüchtlingen zwingt die Stadt Hamburg zu Notmaßnahmen. Hamburgs Sozialsenator Scheele (SPD) schlägt vor, Flüchtlinge vermehrt dort unterzubringen, wo viele Wohnungen leer stehen oder gar abgerissen werden - etwa in Teilen des Ruhrgebiets oder der neuen Länder.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Update

Asyl- und Einwanderungspolitik: Wer mehr kann, soll auch als Flüchtling Vorteile haben

Nach der viel beachteten Begegnung des palästinensischen Flüchtlingsmädchens Reem mit Kanzlerin Angela Merkel bahnt sich in der großen Koalition ein Streit über die Asyl- und Einwanderungspolitik an.

„Überfordert“ sei Deutschland mit der Unterbringung von Flüchtlingen nicht, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Aber „herausgefordert“ schon, fügte er hinzu. Da würde ihm Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) wohl nicht widersprechen. Scheeles Not ist so groß, dass das Erstaufnahmelager in der Nähe des Hamburger Volksparkstadions erweitert werden muss. Im ersten Halbjahr sind mehr als 12 500 Flüchtlinge in der Stadt angekommen, mehr als im ganzen Jahr 2014.

Am Samstag hieß es, der Bundesligist Hamburger SV wolle die Erweiterung verhindern. Am Sonntag schrieb der HSV aber auf seiner Internetseite, es gehe lediglich darum, wo weitere Flächen zur Verfügung gestellt würden. Das müsse im Einklang mit dem Spielbetrieb gestaltet werden. Scheele hat alles ausgereizt: Er hat Flüchtlinge in Kasernen, einem Wohnschiff, in Hotels untergebracht, hat Wohncontainer aufgestellt. Derzeit plant er am Stadtrand ein Flüchtlingslager mit Zelten für 3000 Menschen. Die benachbarten Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern wollen aber keine „Hamburger Flüchtlinge“ unterbringen, selbst wenn Hamburg dafür bezahlen würde, sagte der Innenminister.

De Maizière forderte mit Blick auf zwei Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte am Wochenende in Baden-Württemberg und Bayern, „klare Kante“ zu zeigen. Allerdings sagte er auch, es sei „eine Schande für Europa“, dass 40 Prozent der Asylbewerber in Deutschland aus dem Kosovo, Albanien und Serbien kämen, ohne Chance auf Anerkennung. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach in diesem Zusammenhang auf einem Bezirksparteitag seiner Partei von „massenhaftem Asylmissbrauch“, der „rigoros“ bekämpft werden müsse.

Bundesagentur für Arbeit schlägt „Blue Card“ für hochqualifizierte Flüchtlinge vor

Der Fall des palästinensischen Flüchtlingsmädchens Reem, das bei der Begegnung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Tränen ausgebrochen war, hat eine neue Debatte über die Einwanderungspolitik ausgelöst. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wiederholte in der „Welt am Sonntag“ seine Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sprach sich dafür aus, hochqualifizierten Flüchtlingen den Zugang zu einer Aufenthaltsgenehmigung zu erleichtern. „Es läuft etwas grundfalsch in Deutschland, wenn wir einerseits mehr Nachwuchs brauchen und andererseits junge, gut integrierte Flüchtlinge von der Abschiebung bedroht sind“, sagte Oppermann. "Ich will deshalb ein Einwanderungsgesetz, bei dem alle Einwanderer schnell Klarheit haben, ob sie bleiben können oder nicht. Junge, leistungsbereite Menschen, die sich integrieren wollen, müssen wir willkommen heißen und dürfen sie nicht abschrecken." Die Linke kritisierte die Äußerungen Oppermanns. „Wenn Flüchtlingskinder in gute und schlechte sortiert werden, läuft etwas grundfalsch in Deutschland“, sagte Fraktionsvize Jan Korte. „Mir ist es egal, wie gut ein Kind Deutsch spricht, wenn es Schutz und Hilfe braucht.“

Unter den Flüchtlingen seien auch Hochqualifizierte wie Ärzte und Ingenieure, sagte BA-Vorstand Raimund Becker der „Rheinischen Post“. Diese könnten als Arbeitskräfte mit einer „Blue Card“ nach Deutschland einwandern und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Mit der Blue Card können bislang nur Fachkräfte nach Deutschland kommen, die hier einen Job mit einem Jahresgehalt oberhalb von 48 000 Euro nachweisen können. Mit der seit 2012 gültigen Regelung sind bis Ende 2014 nur 17 000 Hochqualifizierte nach Deutschland gekommen.

Die Union zeigte sich offen für den BA-Vorstoß. „Deutschland braucht sicher hochqualifizierte Arbeitskräfte“, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Stephan Mayer (CSU). „Die bürokratischen Hürden für diese Fachleute sollten möglichst niedrig sein.“ CDU-Vize Armin Laschet sagte der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“: „Wir brauchen ein Bleiberecht für die, die seit Jahren hier leben, sich anstrengen, sich um gute Bildung kümmern und Deutsch sprechen und sich zu unserem Land bekennen.“

Merkel will faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen in Europa. „Das Dublin-Abkommen entspricht nicht mehr den Gegebenheiten, wie wir sie mal hatten“, sagte sie am Sonntag im ARD-„Sommerinterview“. Die EU-Staaten müssten zu einer fairen Lastenverteilung kommen, was die Aufnahme von Flüchtlingen angehe. Mit Blick auf die anstehenden Beratungen der EU-Innenminister zu dem Thema sagte die Kanzlerin: „Die Gespräche laufen gar nicht so schlecht.“ Die Ressortchefs wollen an diesem Montag in Brüssel über die Umverteilung von rund 60 000 Flüchtlingen in Europa entscheiden - unter anderem zur Entlastung der Mittelmeerländer Italien und Griechenland, wo besonders viele Bootsflüchtlinge ankommen. Bei ihrem jüngsten Treffen Anfang Juli hatten die Innenminister die angestrebte Zahl nicht erreicht. Nun soll ein Sondertreffen die Lösung bringen. Diplomaten sind zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommt. Das Thema ist innerhalb der EU seit Monaten umstritten.

Der Bundesrat hatte kürzlich eine Neuregelung gebilligt, mit der bei geduldeten Ausländern die Möglichkeiten für einen dauerhaften Aufenthalt verbessert werden. Das Gesetz soll demnächst in Kraft treten. Dadurch werde gerade für geduldete Jugendliche die Möglichkeit verbessert, „eine echte Perspektive für ein Leben in Deutschland zu bekommen“, sagte die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), der „Passauer Neuen Presse“. (AFP/epd/Tsp/dpa)

EU-Flüchtlingsgipfel: Wer nimmt wen?

Am Montag wollen die EU-Innenminister entscheiden, wie 60 000 Flüchtlinge, davon 40 000 aus Italien und Griechenland, innerhalb der Europäischen Union neu verteilt werden können. Der Versuch, einen Verteilungsschlüssel zu beschließen, ist am Widerstand vor allem osteuropäischer Länder, aber auch Deutschlands gescheitert. Innenminister Thomas de Maizière hatte angekündigt, Deutschland könnte 9000 dieser Flüchtlinge aufnehmen. Polen will 2000, Tschechien 1500 Plätze anbieten. Allerdings wehren sich alle Osteuropäer dagegen, Flüchtlinge aus Afrika oder Muslime aufzunehmen. Der slowakische Regierungschef Robert Fica warnt davor, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen könnten. In der Slowakei sind 2014 lediglich 14 Aslybewerber als solche anerkannt worden, nur 331 Menschen hatten überhaupt Anträge gestellt. Tschechien will die 1500 Flüchtlinge zunächst „Sicherheits-Hintergrund-Checks“ unterziehen und sie dann in geschlossenen Heimen in einer abgelegenen Region unterbringen. Trotzdem haben Rechtsextreme in Prag wie in Bratislawa im Nachbarland Slowakei bereits gegen die „Islamistisierung“ ihres Landes protestiert. (dpa)

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