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Asyl: Wer nicht sicher lebt, ist Flüchtling

EU-Generalanwalt nennt am Beispiel eines Irakers Kriterien für Anerkennung.

Berlin - Der Iraker Aydin Salahadin Abdulla kam im Februar 2000 nach Deutschland und beantragte Asyl. Seinen Asylantrag begründete der zur Minderheit der Turkmenen gehörende Iraker damit, dass er nach der Verhaftung seines Bruders ein Mitglied der Baath-Partei von Saddam Hussein niedergestochen habe. Als er nach Deutschland kam, sollten noch drei Jahre bis zum Sturz von Saddam Hussein vergehen. Heute lebt und arbeitet Salahadin Abdulla in München, ist verheiratet und hat Kinder. Das Saddam-Regime ist Geschichte – ganz im Gegensatz zum Rechtsstreit des vor einem knappen Jahrzehnt nach Deutschland geflohenen Irakers. Vor über vier Jahren verlor er seinen Flüchtlingsstatus. Mit seinem Fall (AZ: C-175/08) beschäftigt sich inzwischen der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Am Dienstag stellte der EU-Generalanwalt klar, dass anerkannte Flüchtlinge ihren Status in den EU-Staaten nur unter ganz bestimmten Bedingungen verlieren können.

Im Februar 2005 hatte das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Flüchtlingsstatus von Salahadin Abdulla widerrufen. Kein Einzelfall: Nach dem Sturz Saddams wurde insgesamt 20 000 irakischen Flüchtlingen in Deutschland der Status mit der Begründung entzogen, dass sie nach dem Zerfall des Regimes keine Verfolgung mehr zu befürchten hätten.

Nach der Ansicht der Münchner Anwältin Angelika Lex, die Salahadin Abdulla vertritt, kann davon keine Rede sein. Im Irak gebe es weder Rechts- noch Verfahrenssicherheit, auch vor Übergriffen sei dort niemand sicher, argumentiert sie. Der Münchner Verwaltungsgerichtshof stellte sich hingegen vor gut drei Jahren auf den Standpunkt, dass Exiliraker bei einer Rückkehr in ihre Heimat weder von den internationalen Truppen noch von der Regierung in Bagdad etwas zu befürchten hätten.

Heute grassiert im Irak angesichts zahlreicher Anschläge die Angst vor einem Bürgerkrieg. Und inzwischen hat auch in Deutschland die Zahl der Iraker, deren Flüchtlingsstatus widerrufen wurde, erheblich abgenommen: 2007 waren es 1592, im vergangenen Jahr nur noch 881. Der Fall von Salahadin Abdulla landete aber beim Bundesverwaltungsgericht, das den EuGH im vergangenen Jahr um eine Vorabentscheidung bat.

Flüchtlinge können ihren Status nur dann verlieren, wenn sie in ihrem Heimatland dauerhaft vor Verfolgung sicher sind – so lautet nun die Empfehlung des EU-Generalanwalts Jan Mazak, der sich mit dem Fall von Salahadin Abdulla und vier weiteren Irakern befasste. Dabei legte er die Elle der sogenannten EU-Qualifikationsrichtlinie an, die Kriterien für den Flüchtlingsstatus enthält. Nach der Auffassung des Generalanwalts spricht es nicht unbedingt gegen die Sicherheitslage im Irak, wenn der Schutz vor Verfolgung nur mit der Hilfe internationaler Truppen gewährleistet werden kann. Der Flüchtlingsstatus müsse allerdings aufrechterhalten werden, wenn die Lage im Heimatland der Exilanten „instabil oder nicht berechenbar“ sei. Dies sei im Irak eindeutig der Fall, meint Anwältin Angelika Lex, die in den Empfehlungen des Generalanwalts „positive Ansätze“ sieht. Es wird erwartet, dass der EuGH in seinem Urteil in einigen Monaten dem Gutachten des Generalanwalts folgt.

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