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Sorgt sich um die Zukunfts Bayerns: Ministerpräsident Horst Seehofer

© Michaela Rehle/REUTERS

Asylkompromiss der Koalition: So ein Horst

Die Drohungen des CSU-Chefs entpuppen sich als Popanz. Und doch kann man ihn loben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Horst Seehofer könnte ein glücklicher Mann sein in diesen Tagen. Von den Deutschen, sagen die Demoskopen, finden den CSU-Chef mittlerweile ziemlich viele ziemlich klasse. Die Koalition hat sich auf ein Asylpaket geeinigt, das nicht weit von dem entfernt ist, was Seehofer wollte. Trotzdem läuft er umher wie einer, der eine schwere Niederlage mit aller Kraft schönreden muss. Daran ist er selber schuld. Und gerade deshalb ist es an der Zeit, Horst Seehofer zu loben.

Der Bayer kann seinen relativen Erfolg nicht auskosten

Bleiben wir zunächst bei dem Asylpaket selbst. In der Sache ist es ziemlich klug. Beim zentralen politischen Streitpunkt „Transitzonen“ haben die drei Parteichefs eine pragmatische Lösung gefunden: Asylbewerber, die absehbar keine Chance auf Anerkennung haben, werden zügig geprüft und zügig nach Hause zurückgeschickt. Das Verfahren ist unangenehm, aber überfällig. Wir haben bisher stillschweigend geduldet, dass arme Menschen sich in langwierigen Asylverfahren zeitweise im Wohlstandsparadies aufwärmen. Aber wenn der Satz stimmt, dass auch das reiche Deutschland nicht das Elend der ganzen Welt ausgleichen kann, dann muss irgendwo das Nein-Sagen anfangen.

Betreffen wird das im Moment nur relativ kleine Gruppen. Die Flüchtlingsströme eindämmen werden die neuen Einrichtungen nicht, Fluchtwillige in Syrien oder im Irak abschrecken auch nicht. So etwas mag früher funktioniert haben; in einer in Echtzeit vernetzten Twitterwelt nicht mehr. Wer das Gegenteil behauptet, versucht nur, eigene Hilflosigkeit zu bemänteln. Womit wir wieder bei Seehofer wären. Der Bayer kann seinen relativen Erfolg nicht auskosten, weil er ihn selbst schon vorher kleingemacht hat. Wer mit „Notwehr“ droht, tut so, als ob er Wunder was bewirken könne. Vor dem Doppelkompromiss von Berlin – erst dem unionsinternen, dann dem gemeinsamen mit der SPD – entpuppt sich die Drohung als Popanz. Noch einer, muss man ja sagen. Die Warnungen der SPD vor bayerischen „Massenhaftlagern“ waren ebenso aufgeblasen. Das war im Ernst nie geplant, und ein Vizekanzler und ein Justizminister konnten das wissen.

Er hatte weder Wunder- noch Druckmittel im Gepäck

Umso mehr aber ist Horst Seehofer zu loben. Er hat gedroht und gepoltert, hat Angela Merkel als pflichtvergessene Kirchentagsträumerin hingestellt und sich selbst als den einzigen Realisten. Das war derart maßlos, dass es nicht als Ausdruck ehrlicher Sorge um das Land und den Rückhalt bei den Bürgern wirkte, sondern als das übliche CSU-Spielchen. Aber es geht nicht um die Maut, sondern um ein ernstes Problem. Die üblichen Spielchen haben da unübliche Folgen. Wer so tönt wie der Ober- Bayer, leistet der Verrohung im Reden und Denken Vorschub. Und trotz alledem hat Seehofer am Ende Kompromissen zugestimmt, von denen er selber weiß, dass sie hinter den selbst geweckten Erwartungen zurückbleiben. In der Sache blieb ihm wenig anderes übrig. Er hatte weder Wunder- noch Druckmittel im Gepäck. Obendrein hat Merkel die besseren Nerven. Und trotzdem: Seehofer ist über den Scheinriesenschatten gesprungen. Wenn er klug ist, lernt er daraus. Wenn er nichts daraus lernt – schade. Dann bleibt er halt der Horst.

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