zum Hauptinhalt
Update

Athen: Griechisches Parlament billigt Sparpaket

Das griechische Parlament hat in der Nacht zu Montag dem umstrittenen Sparpaket zugestimmt. Doch es gab viele Nein-Stimmen auch aus den Reihen der Regierungskoalition. Stundenlange Krawalle haben die Debatte begleitet.

Das griechische Parlament hat nach hitziger Debatte das umstrittene Sparpaket gebilligt und damit den Weg für ein weiteres Milliarden-Hilfspaket freigemacht. Eine Mehrheit von 199 der 278 anwesenden Abgeordneten stimmte für den Plan, der Entlassungen im öffentlichen Dienst sowie Kürzungen beim Mindestlohn und bei einigen Renten vorsieht. Bei heftigen gewaltsamen Protesten in der Hauptstadt Athen und in Thessaloniki waren zuvor Brände gelegt und mehrere Menschen verletzt worden.

Die Parlamentsmehrheit für das Sparpaket setzte sich vor allem aus Stimmen der Regierungskoalition von Sozialisten und Konservativen zusammen. Mehrere Parlamentarier der Koalition stimmten aber gegen die umstrittenen Maßnahmen, welche die Gläubigertroika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zur Bedingung für neue Finanzhilfen gemacht hatte. Insgesamt gab es 74 Neinstimmen. Die Fraktionen von Konservativen und Sozialisten schlossen unmittelbar nach der Abstimmung jeweils etwa 20 Abgeordnete aus ihren Reihen aus, die gegen den Entwurf gestimmt hatten. Zwei der 16 Abgeordneten der ultrarechten Partei Laos, die sich in der vergangenen Woche angesichts der umstrittenen Spapläne aus der Regierung zurückgezogen hatte, votierten hingegen für die Maßnahmen.

Vor der Abstimmung hatte Griechenlands Ministerpräsident Lucas Papademos noch einmal eindringlich um Unterstützung für das Sparprogramm geworben. Es gehe darum, zusammen „mit der Europäischen Union und der gemeinsamen Währung voranzukommen“ oder in „die Armut, den Bankrott, die Ausgrenzung und den Ausschluss aus dem Euro“ abzustürzen, sagte er vor dem Parlament. Es sei zudem „ein Irrtum, zu glauben, dass das Programm fehlschlagen wird“.

Die Finanzminister der Eurozone machen ihre Zustimmung zu einem weiteren Kredit der Troika in Höhe von 130 Milliarden Euro unter anderem davon abhängig, dass Griechenland neue Einsparungen in Höhe von 325 Millionen Euro realisiert. Außerdem sollen sich die Chefs der Regierungsparteien schriftlich zur Umsetzung der Sparmaßnahmen verpflichten. Dies soll verhindern, dass die Zustimmung durch die für April vorgesehene Neuwahl der Parlaments obsolet werden könnte.

Die Parlamentsdebatte war von schweren Ausschreitungen bei Protesten mit insgesamt rund 100.000 Teilnehmern in der Hauptstadt Athen und in Thessaloniki überschattet worden. Bei den Krawallen wurden rund 80 Menschen verletzt, darunter 30 Polizisten. Demonstranten warfen mit Steinen und Brandsätzen, worauf die Polizei mit Tränengas reagierte. In Athen versuchten Protestierende, die Absperrungen vor dem Parlament zu durchbrechen. In der Hauptstadt wurden zudem etwa 40 Brände gelegt.

Zuvor waren zehntausende Demonstranten friedlich gegen geplante Lohnkürzungen und Entlassungen auf die Straße gegangen. Die Angaben über die Teilnehmerzahl gingen weit auseinander: Während Beobachter zwischen 20.000 und 40.000 Demonstranten schätzten, sprachen Gewerkschafter von 200.000. Es waren die größten Proteste seit Monaten.

Etwa 200 mit Knüppeln bewaffnete Vermummte versuchten, Absperrungen vor dem Parlament zu durchbrechen. Sie warfen Steine und Feuerwerkskörper auf die Polizei.

Im Parlament sorgte das Sparpaket unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Abstimmung für hitzige Debatten. Der Sozialisten-Chef Giorgos Papandreou rief zu einer Abkehr vom Schuldenmachen auf. „Wir können nicht mehr einen Klientelstaat haben. Wir müssen uns davon befreien“, rief der frühere Regierungschef am Abend.

Auch der Parteichef der Konservativen, Antonis Samaras, warb eindringlich für eine Zustimmung. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als dem Sparprogramm zuzustimmen. Wir werden dann versuchen, die Glaubwürdigkeit unseres Landes zurückzugewinnen.“ Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos musst mehrmals einschreiten, weil einzelne Abgeordnete die Aussprache mit Schreien und Beschimpfungen störten.

Beobachter hatten erwartet, dass etliche Abweichler aus dem Regierungslager dem parteilosen Ministerpräsidenten Lucas Papademos die Gefolgschaft verweigern. Allerdings rechneten die Beobachter auch mit einer breiten Mehrheit für das Sparpaket. Die sozialistische PASOK und die konservative Nea Dimokratia (ND) verfügen über 236 der 300 Sitze.

Athen hatte sich in der vorigen Woche mit den Finanzkontrolleuren der „Troika“ aus EU, EZB und IWF auf das Sparprogramm geeinigt. Das pleitebedrohte Land steht unter massivem Druck der Geldgeber.

Deutschland macht weiter Druck.

Deutschland will nach den Worten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nur noch helfen, wenn Athen Sparpakete nicht nur beschließt, sondern auch in die Tat umsetzt. „Deswegen reichen uns jetzt die Versprechen von Griechenland nicht mehr“, sagte er in der „Welt am Sonntag“. Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) forderte im ARD-„Bericht aus Berlin“, Griechenland müsse Vereinbartes auch umsetzen. „Erst wenn das passiert, erst dann kann es neue Hilfen geben und darauf ist Griechenland ja dringend angewiesen.“ Die Zeit drängt: Die Euro-Finanzminister wollen sich am Mittwoch (15.2.) erneut treffen, um das zweite, 130 Milliarden Euro umfassende Hilfspaket für Griechenland zu bestätigen. Es umfasst neue öffentliche Hilfen von 100 Milliarden Euro, dazu kommen 30 Milliarden Euro zusätzliche Garantien zur Absicherung des geplanten Schuldenschnitts. Dieser soll die griechische Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro verringern.

Die geplanten Einschnitte sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie Entlassungen von 150 000 Staatsbediensteten bis 2015 vor. Am Freitag und Samstag hatten Gewerkschaften erneut mit Streiks darauf reagiert.

Das hoch verschuldete Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf. Die damals zugesagten Hilfskredite im Umfang von 110 Milliarden Euro reichen aber längst nicht mehr aus. Damals handelte es sich um bilaterale Vereinbarungen, das zweite Hilfspaket soll vom Euro-Rettungsfonds EFSF kommen.

Das Sparpaket enthält das Sparprogramm selbst, sowie Vollmachten für Papademos und dessen Finanzminister Evangelos Venizelos, alle internationalen Verträge dazu zu unterzeichnen. Schließlich gehört die Billigung der Beteiligung des privaten Sektors an dem Schuldenschnitt dazu. Die komplizierten Umsetzungsgesetze des Sparprogramms - etwa zu Kürzungen der Löhne und der Renten sowie Entlassungen von Staatsbediensteten - sollen in den kommenden Wochen gebilligt werden. Auch die Einzelheiten des Forderungsverzichts der privaten Gläubiger („Private Sector Involvement“, PSI) sind noch nicht bekannt.

Am Samstag hatte Papademos erneut vor den dramatischen Folgen einer Staatspleite gewarnt: Die Zahlungsunfähigkeit würde ein „ökonomisches Chaos“ und eine „soziale Explosion“ auslösen. „Der Staat würde Löhne und Renten nicht zahlen und die Krankenhäuser und die Schulen würden nicht funktionieren können.“ Massenweise würden Unternehmen schließen, hieß es. Die Griechen würden verelenden.

Die Athener Sonntagszeitung „To Thema“ listete am Sonntag ein mögliches Szenario für den Pleitefall auf, das ein hoher Regierungsfunktionär den griechischen Parteichefs in den vergangenen Tagen präsentiert haben soll: In den ersten 72 Stunden sei demnach mit einem Sturm der Bürger auf die Banken zu rechnen. Binnen zwei Wochen komme es zu Knappheiten bei der Treibstoffversorgung. Die Staatsbediensteten erhielten am Monatsende kein Geld. Drei Monate danach gibt es weitreichende Unterbrechungen bei der Stromversorgung. Sechs Monate danach explodiere die Kriminalität; das Ausland müsse humanitäre Hilfe leisten. Ein Jahr danach breche die Verteidigung des Landes zusammen. Die Arbeitslosigkeit steige auf mehr als 35 Prozent. (AFP/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false