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Politik: Atom-U-Boot in Not: Abgestumpft beim Kampf ums Überleben - Wie die Russen reagieren

Russische Medien kennen seit Montag nur noch ein Thema: Das U-Boot-Drama in der Barentssee und das Schicksal der 118 Besatzungsmitglieder. Bisherige Dauerbrenner der Fernsehsender, wie Tschetschenien oder der Krieg der Mafia-Banden, tauchen, wenn überhaupt, höchstens als bloße Textmeldungen in den letzten fünf Minuten der Nachrichtensendungen auf.

Russische Medien kennen seit Montag nur noch ein Thema: Das U-Boot-Drama in der Barentssee und das Schicksal der 118 Besatzungsmitglieder. Bisherige Dauerbrenner der Fernsehsender, wie Tschetschenien oder der Krieg der Mafia-Banden, tauchen, wenn überhaupt, höchstens als bloße Textmeldungen in den letzten fünf Minuten der Nachrichtensendungen auf. Das Politmagazin "Itogi", landesweit eine der quotenträchtigsten Sendungen, wegen des Sommerlochs aber gegenwärtig in den Ferien, plant für Sonntag sogar eine Sonderausgabe.

Für Kameramann Lew Sergejew (51) ist der erste Gedanke beim Aufstehen und der letzte beim Schlafengehen das Schicksal der Besatzung. Der Mann, kampferprobt durch die Arbeit in allen Krisenregionen der ehemaligen Union, schimpft, trotz Festanstellung beim Staatssender RTR, was das Zeug hält, ob der Zögerlichkeit der eigenen Regierung, ausländische Hilfe bei der Rettung der Besatzung anzunehmen: "Eine abgrundtiefe Sauerei ist das." Sergejew meint, Behauptungen, wonach Moskau vermeiden wollte, dass Nato-Offiziere das "russische Wunder", wie die "Kursk" gern bezeichnet wird, aus nächster Nähe in Augenschein nähmen, könnten wahr sein. "Was zählt bei uns schon der Mensch, wenn es um Staatsgeheimnisse geht."

So ähnlich sehen es auch Offiziersfrauen in den Militärsiedlungen. Vor allem auf der Halbinsel Kola, vor deren Küste sich die Tragödie abspielt. Moskau habe das britische Hilfsangebot viel zu spät akzeptiert, viel wertvolle Zeit sei dadurch vertan worden, sagte eine Frau dem Privatsender NTW. Sie selbst habe niemand auf der "Kursk", aber das sei egal: "Es kann jeden von uns treffen. Jeden Tag." Auch in Kursk, einer Provinzhauptstadt südwestlich von Moskau, liegen die Nerven blank. In der Stadt, die dem Unglücksboot ihren Namen gab und die Patenschaft über dessen Besatzung übernahm, gibt es viele Eltern, deren Söhne auf dem Schiff ihren Wehrdienst ableisten. "Wie konnte das nur geschehen", fragt, eher rhethorisch, ein Familienvater. "Das Schiff war der Stolz unserer Seekriegsflotte."

Den Moskauern wiederum geht das Drama nicht sehr tief unter die Haut. Natürlich sei alles sehr traurig und schrecklich, lautet die Standardantwort bei Umfragen auf der Straße. Aber so richtig betroffen ist niemand. Es sei eben fremdes Leid, meint die Psychologin Natalja Nesterowa: "Auch wir Russen sind nur bedingt leidensfähig." Russland, sagt Nesterowa, sei leider ein Land, um das "offenbar kein Unglück einen Bogen macht": Tschetschenien, Terroranschläge, Kriminalität und bittere Armut. Man dürfte nicht vergessen, sagt Nesterowa, "dass für viele tagtäglich der nackte Existenzkampf angesagt ist". Das stumpfe ab.

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