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Politik: Atomausstieg: Die Endrunde wird eingeläutet, doch die Kompromißfähigkeit der Öko-Partei und vor allem ihrer Basis hat Grenzen

Der Streit um den Atomausstieg geht in die Endrunde. 14 Jahre nach dem Ausstiegsbeschluss der SPD, acht Jahre nach dem ersten Anlauf des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder zum Atomkonsens soll am Mittwochabend der Deckel aufs Fass gesetzt werden.

Von Robert Birnbaum

Der Streit um den Atomausstieg geht in die Endrunde. 14 Jahre nach dem Ausstiegsbeschluss der SPD, acht Jahre nach dem ersten Anlauf des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder zum Atomkonsens soll am Mittwochabend der Deckel aufs Fass gesetzt werden. Schröder, nun Bundeskanzler, hat für den späten Abend schon zur Pressekonferenz geladen. Was er dort verkünden wird, hat das Zeug dazu, über den Fortbestand der rot-grünen Koalition zu entscheiden. Denn so weit von ursprünglichen Positionen sich die Grünen schon entfernt haben - die Kompromißfähigkeit der Öko-Partei und vor allem ihrer Basis hat Grenzen.

Eine Handvoll Zahlen werden entscheidend sein. Das Hauptaugenmerk gilt der Regellaufzeit für die 19 deutschen Atomreaktoren. Auf 30 Kalenderjahre hatten sich SPD und Grüne verständigt, mit der Forderung nach 35 Jahren gehen die Chefs der vier großen Stromkonzerne ins Kanzleramt. Der Kompromiss dürfte in der Mitte liegen - Grünen-Politiker hoffen: ein bisschen dichter an ihren 30 als an den 35 Jahren. 32 Jahre gelten als heißer Tipp. Die Art und Weise, in der Strommengen in Jahre umgerechnet werden, lässt der Politik hier Spielräume: Als "Stellschrauben", um zu einer politisch akzeptablen Jahreszahl zu kommen, sind die durchschnittliche Auslastung und der Zeitpunkt, ab dem der Betrieb gezählt wird, in das Rechenwerk einbezogen.

Ob die zweite politisch bedeutsame Zahl in der Konsensvereinbarung stehen wird, war bis zuletzt noch offen. Die Koalitionäre, vor allem die Grünen, wollen der Nutzung der Atomkraft in Deutschland ein absolutes Enddatum setzen. Die Rede ist vonJahreszahl um 2020. Ob sich die Industrie darauf einläßt, wird auch davon abhängen, welche Reststrommenge ihnen die Regierung zugestehen will. Der Forderung von 3000 Terrawattstunden steht ein Angebot von etwa 2000 Terrawattstunden gegenüber. Auch hier dürfte die Kompromisslinie etwa in der Mitte liegen.

Diese Gesamt-Strommenge - ungefähr die gleiche, die die deutschen AKW bislang schon erzeugt haben - dürfen die Reaktorbesitzer nach Gutdünken auf ihre einzelnen Akw verteilen, sodass ältere Meiler kürzer, dafür modernere länger laufen können. An diesem Punkt kommt die dritte für die Grünen wichtige Zahl ins Spiel: Wie viele Reaktoren werden noch vor der Bundestagswahl 2002 oder jedenfalls nicht lange danach abgeschaltet?

Als erster Kandidat böte sich das Akw Biblis A an. Der 1974 in Betrieb gegangene Reaktor ist zwar nicht der älteste. Aber für den Eigner RWE stellt sich die Frage, ob sich Milliarden-Nachrüstungen in die Sicherheit der Anlage für ein paar Jahre Restlaufzeit rentieren. Für die beiden ältesten Reaktoren Obrigheim (1968) und Stade (1972) ist eine Gnadenfrist bis Ende 2002 im Gespräch. Damit könnte der Grünen-Verhandlungsführer, Umweltminister Trittin, der Basis beim Parteitag in Münster Ende Juni das nahe Aus für drei Reaktoren in Aussicht stellen.

Ärger wird es trotzdem geben. Der Preis für einen bis zu zehn Jahre dauernden Erkundungsstopp für ein Endlager in Gorleben ist etwa die Genehmigung für das Lager Schacht Konrad. Und bis 2005 sollen auch noch Atommüll-Transporte zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich und Großbritannien rollen.

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