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Politik: Atomausstieg: Ist Kernkraft gefährlich?

Der Glanz der Erfolgsmeldung ist schon etwas verblasst: Im Juni des vergangenen Jahres haben sich die Bundesregierung und die deutschen Betreiber von Atomkraftwerken darauf geeinigt, die bestehenden Anlagen geordnet stillzulegen und keine neuen mehr zu bauen. Nur unterschrieben ist dieser Atomkonsens bis heute nicht.

Der Glanz der Erfolgsmeldung ist schon etwas verblasst: Im Juni des vergangenen Jahres haben sich die Bundesregierung und die deutschen Betreiber von Atomkraftwerken darauf geeinigt, die bestehenden Anlagen geordnet stillzulegen und keine neuen mehr zu bauen. Nur unterschrieben ist dieser Atomkonsens bis heute nicht. Das findet Grünen-Parteichefin Claudia Roth ziemlich ärgerlich. Sie sagte am Donnerstag: "Wir fordern die Betreiber auf, den Atomkonsens schleunigst zu unterzeichnen." Schon am Vortag hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Michael Müller, die Unternehmen gedrängt.

Die betroffenen Energiekonzerne haben allerdings keine Eile. Stefanie Schunk, Sprecherin der RWE Power AG, sagt: "Wenn die Atomgesetz-Novelle steht, steht auch einer Unterzeichnung nichts mehr entgegen." Das neue Atomgesetz ist Teil des Atomkonsenses. Die Bundesregierung hatte sich darin verpflichtet, auf der Basis der Einigung ein neues Gesetz vorzulegen. Das ist ihr jedoch bis heute nicht gelungen. Umstritten ist zwischen den beteiligten Ministerien und Unternehmen, wie der Atomausstieg begründet werden kann. Es geht also um Grundsätzliches, nämlich um die für viele überraschende Frage: Ist Atomenergie gefährlich oder nicht?

Zwar gibt sich Michael Schroeren, Sprecher des Umweltministeriums, optimistisch. Das Gesetz werde noch in diesem Jahr in Kraft treten, versichert er. Das hat am Tschernobyl-Jahrestag auch Umweltminister Jürgen Trittin schon behauptet. Doch tatsächlich bewegt sich seit Monaten gar nichts. In Bewegung sind lediglich die Atommülltransporte nach Sellafield in Nordengland und nach La Hague in Frankreich. Bis 2005 dürfen die Kraftwerksbetreiber ihren strahlenden Abfall dort noch aufarbeiten lassen. Und seit einem guten Monat rollen die Castoren auch wieder.

Für Stefanie Schunk sind die Transporte der Beweis, dass sich die Bundesregierung - auch ohne Gesetz - an die Vereinbarung hält. Michael Schroeren lobt seinerseits, dass die Konzerne, wie verabredet, Anträge auf die Genehmigung von Zwischenlagern an den Kraftwerksstandorten gestellt hätten. "Entscheidend ist für uns die politische Praxis." Klaus Wertel, Sprecher der Energie Baden-Württemberg AG, stimmt ihm zu: "Wichtig ist, dass die Richtung stimmt."

Das bringt die Bundesregierung allerdings einer "wasserdichten Formulierung" (Schroeren) des neuen Atomgesetzes nicht näher. Ohne einen Hinweis auf die Gefahren dieser Art der Energieerzeugung, argumentieren einige Teile der Bundesregierung, könnte das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kassiert werden. Wäre die Atomkraft ungefährlich, gäbe es keinen Grund, so hohe Güter wie das Eigentumsrecht oder die Gewerbefreiheit einzuschränken, heißt es dort. Die Konzerne dagegen befürchten, dass der Hinweis auf die Gefahren im Gesetzestext den Betrieb ihrer Anlagen womöglich doch noch beschränken könnte. Wäre die Atomkraft gefährlich, könnte jeder beliebige Atomkraftgegner die Regierung zwingen, die Meiler früher vom Netz zu nehmen, vermuten die Konzern-Juristen. Mit anderen Worten: Der Konflikt ist kaum lösbar. Und das, obwohl sich eigentlich seit zehn Monaten alle einig sind.

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