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Seit Sonntag liefert das umstrittene Atomkraftwerk Grohnde an der Weser wieder Strom. Zuvor hatte es nach einem Generatorschaden monatelang still gestanden.

© dpa

Atomenergie: Eon gewinnt im Poker um Grohnde

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel genehmigt unter Druck das Wiederanfahren des Atomkraftwerks Grohnde. Dabei hat er kurz vorher die Staatanwaltschaft gebeten, die Vorgänge bei Eon zu überprüfen.

Das Atomkraftwerk Grohnde darf nach einem heftigen Streit zwischen Betreiber und Atomaufsicht wieder Strom produzieren. Das niedersächsische Umweltministerium erteilte am späten Freitagabend die Zustimmung zum Wiederanfahren des Reaktors – am Sonntag war das Kraftwerk wieder am Netz.

Das Akw war Ende April abgeschaltet worden. Zunächst löste ein Totalschaden am Generator Turbulenzen aus. Der Betreiber Eon ließ einen gebrauchten Ersatzreaktor aus Nordrhein-Westfalen herbeischaffen – für den Transport auf der Weser musste Wasser aus der Edertalsperre abgelassen werden, weil das Schiff sonst auf Grund gelaufen wäre.

Eine Vielzahl von technischen Problemen

Bei weiteren Überprüfungen entdeckten Techniker gebrochene Federn an neun von 131 sogenannten Drosselkörpern im Reaktor, die Bauteile regeln den Kühlwasserstrom an den Brennelementen. Während Eon den Befund für nicht sicherheitsrelevant hielt, war Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) besorgt. Er entsandte eine Taskforce ins Kraftwerk, ordnete eine externe Begutachtung an und bestellte Eon mehrmals zum Rapport ein.

Gleichzeitig verstärkten Umweltschützer ihren Druck. Das 30 Jahre alte Kraftwerk sei mit mehr als 230 bekannt gewordenen Pannen „Störfallspitzenreiter“. In Hannover demonstrierten am 14. Juni hunderte Menschen gegen den Weiterbetrieb, Bürgerinitiativen überreichten Wenzel tausende Unterschriften.

Wenzel schaltet die Staatsanwaltschaft ein

Am Donnerstag beantragte Eon unter Verweis auf den Abschluss der Arbeiten, den Reaktor wieder hochfahren zu dürfen, was Wenzel zunächst verweigerte. In einer E-Mail hatte ein Atomkraftgegner aus Nordrhein-Westfalen unter Berufung auf eine Quelle im Kraftwerk behauptet, Eon habe einen Riss an einer 30 Jahre alten Armatur eilig zusammenschweißen lassen, anstatt das betroffene Teil auszutauschen. Die beauftragte Firma sei unter Druck gesetzt worden, die Arbeiten schnell zu erledigen.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) machte in der Auseinandersetzung mit Eon keine besonders gute Figur.
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) machte in der Auseinandersetzung mit Eon keine besonders gute Figur.

© dpa

Statt den Antrag von Eon zu unterschreiben, schaltete Wenzel die Staatsanwaltschaft ein. Immerhin gehe es um „einen Vorgang, der den Verdacht einer Straftat nahelegt“ – Paragraf 312 des Strafgesetzbuches stellt die „fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage“ unter Strafe.

Wenzel hat Angst vor Schadenersatz

CDU und FDP im niedersächsischen Landtag waren empört. Es entstehe „der Eindruck, dass Wenzel sich nicht von sachlichen Argumenten, sondern von ideologischen Überlegungen und dem politischen Druck der Atomkraftgegner leiten lässt“, polterte CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Eon nannte die Vorwürfe „haltlos“ und kündigte an, das Wiederanfahren gerichtlich zu erzwingen.

Wohl unter dem Eindruck drohender Schadenersatzforderungen – jeder Ausfalltag eines großen Akw kostet den Betreiber bis zu einer Million Euro – und weil die Staatsanwaltschaft Hannover keinen Anfangsverdacht sah, schwenkte Wenzel um. Während Eon nun prüfen will, ob bereits jetzt Schaden entstanden ist, weidet sich Oppositionsführer Thümler an Wenzels schlechter Vorstellung: „Keine 24 Stunden später haben sich alle Vorwürfe in Luft aufgelöst und er kann seine Genehmigung bedenkenlos erteilen – das ist doch eine reine Farce.“

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