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Ein Symbol des Fortschritts sollte das 1958 in Brüssel errichtete Atomium sein. Mehr als die Hälfte des Stroms wird in Belgien in sieben Atomkraftwerken produziert. Drei davon sind wegen technischer Probleme vom Netz gegangen.

© Reuters

Atomenergie in Europa: Pannenserie in Belgiens Atomkraftwerken

Drei von sieben belgischen Atomkraftwerken produzieren derzeit keinen Strom. Zwei wurden schon im März aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen. Und nun steht ein weiterer Reaktor nach einer möglichen Sabotage still.

In Belgien ist innerhalb weniger Monate die Hälfte der Atomstromproduktion des Landes wegen Reaktorproblemen ausgefallen. Am Donnerstag informierte der belgische Atomkraftwerksbetreiber Electrabel in einer Mitteilung über den langfristigen Ausfall eines dritten von insgesamt sieben Reaktoren. Doel 4 ist am 5. August wegen der Störung einer Dampfturbine im nicht-nuklearen Teil vom Netz gegangen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Sabotage.

Ursächlich für den Ausfall des Reaktors 4 im Atomkraftwerk Doel nicht weit von Antwerpen ist nach Angaben von Electrabel ein Ölleck. Dadurch sei eine Hochdruckturbine schwer beschädigt worden. Der Reaktor bleibt damit nach Angaben des Betreibers mindestens bis Jahresende außer Betrieb.

Nach Informationen des Senders VRT hat die Polizei damit begonnen die 1500 Beschäftigten in Doel zu verhören, die Zugang zu der Turbine haben könnten. Die Gewerkschaften haben unterdessen Vorwürfe zurückgewiesen, dass die Saboteure aus ihren Reihen kommen könnten, weil ein Teil der Anlagen demnächst still gelegt werden soll.

Belgien hat eine innige Beziehung zu seinen Atomkraftwerken gepflegt. Das Land, das in den 1950er Jahren das Atomium in Brüssel als Symbol des Fortschritts zum Wahrzeichen einer Weltausstellung machte, hat wie das Nachbarland Frankreich lange auf die Atomkraft gesetzt. Die Begeisterung über den vorgeblich billigen Atomstrom war so groß, dass Belgien das wohl einzige Land der Welt ist, das seine Autobahnen mit Straßenlaternen ausgestattet hat. Eine Nachtfahrt auf einer belgischen Autobahn ist bis heute verblüffend hell.

Zwei Meiler sind schon seit März außer Betrieb

Ende März mussten bereits Reaktor 3 des Kraftwerks Doel und Reaktor 2 des zweiten belgischen Atomkraftwerks in Tihange bei Lüttich wegen Schäden dauerhaft heruntergefahren werden. Auch diese Reaktoren werden wohl nicht vor dem Herbst wieder in Betrieb genommen.

Damit fehlen dem Land nun 3000 von ursprünglich 5700 Megawatt Produktionskapazität aus Atomkraft. Belgien bezieht mehr als die Hälfte seines Strombedarfs aus Atomkraft. Die Ausfälle stellen Belgiens Pläne zum Ausstieg aus der Atomkraft infrage. Die Reaktoren sollten nach einer Laufzeit von je 40 Jahren zwischen 2015 und 2025 abgeschaltet werden. Die Ausfälle betreffen aber ausgerechnet die neuesten Reaktoren, sodass die älteren womöglich länger als vorgesehen am Netz bleiben.

Angst vor dem Blackout

Nach der Abschaltung des Atomreaktorblocks Doel 4 befürchtet Belgien Probleme bei der Stromversorgung. „Die Situation ist angespannt und wird nach und nach komplizierter werden, wenn der Winter kommt und die Temperaturen fallen“, sagte die Staatssekretärin für Energie, Catherine Fonck, laut Nachrichtenagentur Belga.

Fonck sagte, Belgien sei aktuell 25 Prozent seiner Produktionskapazität beraubt. „Unter solchen Bedingungen hätte jedes Land Schwierigkeiten.“ Die Behörden wollten nun einen Notfallplan für eventuelle Versorgungsengpässe ausarbeiten. mit AFP/dpa

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