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Atomindustrie: Regierung und Energiekonzerne streiten weiter

Keine Einigung: Die Bundesregierung und die Atomindustrie diskutieren über den künftigen Kurs in der Energiepolitik. Die Bundeskanzlerin will hart bleiben.

Berlin - Ein einhalb Stunden haben die Chefs der vier großen Energiekonzerne am Mittwochnachmittag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen gesessen. Dann haben sie das Kanzleramt verlassen, ohne eine konkrete Zusage über die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke aber mit der Gewissheit, dass die Regierung auf jeden Fall eine Brennelementesteuer einführen wird. Ein Regierungssprecher sagte nach dem Treffen, es sei zu einem „umfassenden Meinungsaustausch“ gekommen, und es seien auch „strittige Themen erörtert“ worden. Ein RWE-Sprecher bezeichnete die Atmosphäre als „konstruktiv“.

Zuvor hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sich auf die Seite der Konzerne gestellt. BDI-Geschäftsführer Werner Schnappauf sagte, die im Atomkonsens vereinbarte Laufzeitbegrenzung sei eine „Kapitalvernichtung“. Der BDI hat errechnen lassen, dass Atomlaufzeiten von 60 Jahren pro Anlage die Volkswirtschaft um rund 260 Milliarden Euro entlasten könne. Zur Brennelementesteuer sagte er: „Wir lehnen eine neue Steuer ab.“ Im Übrigen erwarte die Industrie, „das sich die Regierung vertragstreu verhält“, schließlich sei der Industrie „schriftlich zugesichert“ worden, dass auf neue Steuern verzichtet werde. Schnappauf bezog sich damit wie Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf einen Passus in der Atomausstiegsvereinbarung aus dem Jahr 2000. Darin heißt es, dass die Regierung darauf verzichten werde, die Atomenergie „einseitig zu diskriminieren“, auch auf dem steuerlichen Gebiet. Hatakka beschwerte sich am Mittwoch, nun wolle die Regierung „diese Vereinbarung einseitig aufkündigen“. Dieser Argumentation mochte aber auch der FDP-Umweltexperte Michael Kauch nicht mehr folgen: „Es ist schon bemerkenswert, dass sich die Stromkonzerne nun plötzlich wieder auf eine Vereinbarung berufen, die sie im Nachhinein bekämpft haben.“ Mit dem Kampf um längere Laufzeiten hätten die Konzerne die Vereinbarung schon lage gekündigt.

Die Energiekonzerne haben mehrfach angedeutet oder offen gedroht, dass sie die Kosten für die Brennelementesteuer über einen höheren Strompreis auf die Kunden abwälzen könnten. Bei den Verbraucherzentralen hält man diese Drohung für ein Ablenkungsmanöver. Es werde den Akw-Betreibern kaum gelingen, da das Kraftwerk stets den Preis an der Strombörse bestimmt, das den Strom zu dem betreffenden Zeitpunkt am teuersten produziert. Die teuersten, nicht die günstigsten Kraftwerke – wie am Mittwoch irrtümlich berichtet –, sind Kohle- und Gaskraftwerke. Durch die Brennelementesteuer würde Atomstrom ebenfalls verteuert, „aber nicht so stark, dass er in die Preisbildung mit eingeht“, sagte Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentralen, am Mittwoch. Folglich dürfte sich die Brennelementesteuer nicht auf die Verbraucherpreise niederschlagen, sondern nur die Gewinne der Konzerne abschöpfen. Genau das befürchtet Hatakka. Er sagte, die Steuer werde seinen Konzern mehr als 100 Millionen Euro im Jahr kosten, und dies lasse sich wohl kaum auf die Kunden abwälzen. „Die müssen wir von unserem Gewinn abziehen.“

Am Mittwoch übergab der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der wie sein Kollege Rainer Brüderle (FDP) nicht am Atomgipfel teilnahm, ein neues Gutachten, das die Umstellung der Energieversorgung bis 2050 auf erneuerbare Energien vorsieht. Im Gutachten der Professoren spielt die Atomenergie keine Rolle. Stattdessen plädieren sie für Biogas als Energiespeicher, um Stromspitzen bei starkem Wind besser abfangen zu können. Der Vorteil: Die vorhandene Infrastruktur kann weiter genutzt werden. Die Professoren haben errechnet, dass im Vergleich zum bisherigen konventionellen Energiesystem rund 750 Milliarden Euro gespart werden können, wenn jetzt sofort in den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werde.

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