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Atomkonflikt: Misstrauen und Versteckspiel

Es gibt kaum Bewegung bei den Atomgesprächen mit Iran in Genf. Schon der Schah hatte ein ehrgeiziges, vom Westen unterstütztes Atomprogramm.

In den Atomkonflikt mit dem Iran kommt etwas Bewegung. Kurz nach den Enthüllungen über eine weitere Nuklearanlage sagte Teheran offiziell zu, dass Inspektoren die Einrichtung bei Ghom aufsuchen könnten. „In den nächsten Wochen“ sollten Kontrolleure der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) sich in den Iran aufmachen, bestätigte in Genf der EU-Außenpolitikchef Javier Solana. Am Donnerstag hatten Solana, Vertreter der fünf UN-Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland (P5 plus 1) mit Irans Atomunterhändler Saeed Jalili konferiert. Seit mehr als einem Jahr hatten sich die Parteien nicht mehr zusammengesetzt.

Diplomaten betonten, dass der Iran die lange geheim gehaltene Anlage in Ghom gemäß seinen Verpflichtungen gegenüber der IAEO auf jeden Fall für Kontrolleure öffnen müsse. „Insofern ist es kein Zugeständnis der Iraner, aber sie sperren sich vorläufig nicht gegen Inspektionen“, sagte ein Unterhändler. Solana bewertete das Treffen eher zurückhaltend: „Es ist nur ein Beginn.“ Indirekt gab er zu verstehen: Neue UN-Sanktionen gegen den Iran wegen des kontroversen Atomprogramms bleiben als Option auf dem Tisch.

Die Gesprächspartner einigten sich auf ein weiteres Treffen Ende Oktober. Ferner soll der Iran bestimmte Mengen von Uran zur weiteren Anreicherung einem anderen Land übergeben und später wieder in Empfang nehmen. Das Uran stammt aus einem kleinen Forschungsreaktor in Teheran. Die IAEO soll diesen Prozess koordinieren und beaufsichtigen. Die USA und ihre westlichen Verbündeten verdächtigen die Iraner des Strebens nach nuklearen Massenvernichtungswaffen. Die IAEO warnt vor einer „möglichen militärischen Dimension“ des Teheraner Nuklearprogramms. Das Mullah-Regime bestreitet alle Anschuldigungen vehement.

Das Ziel der Gruppe P5 plus 1 und der EU im Verhandlungsprozess: Der Iran soll die umstrittenen Elemente seines Atomprojekts wie etwa die Urananreicherung einstellen. Solana bestätigte, dass die internationale Koalition auch ein „freeze-for-freeze“ angeboten habe. Danach soll der Iran in einem ersten Schritt die Urananreicherung und andere kontroverse Aktivitäten einfrieren. Im Gegenzug würde der UN-Sicherheitsrat die Sanktionen gegen den Iran aussetzen. Zudem könnte der Iran auf verstärkte Wirtschaftskooperation hoffen. Laut Solana ging Teherans Unterhändler aber nicht auf die Offerte ein. In Genf beharrten die Iraner auf einer Fortsetzung ihres „friedlichen“ Atomprogramms – also auch auf der Urananreicherung.

Misstrauen hatten die Iraner mit der versteckten Anlage zur Urananreicherung in der Nähe von Ghom gesät. Wegen dieses jüngsten Falles von Vertuschung kritisiert die IAEO den Iran. Das Land verletzte seine Verpflichtungen, offen zu informieren. „Die Iraner spielen mal wieder mit der Agentur“, klagt ein IAEO-Mitarbeiter. Teheran hätte laut seinen Vereinbarungen mit der IAEO eine Nachricht geben müssen, sobald die Entscheidung oder die Erlaubnis zum Bau der Anlage bei Ghom gefallen war. Tatsächlich teilte der Iran der IAEO aber erst am 21. September mit, dass die neue Anreicherungs-Anlage bei Ghom bereits „im Bau“ sei.

Schon Schah Reza Pahlevi hatte ehrgeizige Atompläne. 20 Atomreaktoren wollte der Herrscher auf dem Pfauenthron im Iran bauen lassen. Die siebziger Jahre waren gepflastert mit Milliardenverträgen für Firmen aus den USA, Frankreich und Deutschland. Kernenergie zu besitzen sei ein nationales Recht, argumentierte er und ratifizierte 1970 den Atomwaffensperrvertrag. Vier Jahre später rutschte ihm eine Bemerkung heraus, die in Washington Alarm auslöste. Der Iran werde Atombomben haben, „ohne jeden Zweifel, und schneller als mancher denkt“, sagte der Diktator bei einem Interview und ließ seinen damaligen Atomchef Akbar Etemad erklären, keine Nation habe das Recht, einer anderen ihre Nuklearpolitik zu diktieren. Das überzeugte die Administrationen von Gerald Ford und Jimmy Carter, dass der Teheraner Monarch nach Plutonium für Atombomben strebe, und zwar über eine eigene Wiederaufbereitungsanlage für Brennstäbe. Jahrelang verhandelten die USA mit dem Iran über Garantien für eine friedliche Nutzung. Der im Sommer 1978 paraphierte Vertrag jedoch kam wegen der islamischen Revolution nicht mehr zustande.

Die neue Führung um Ajatollah Chomeini zeigte zunächst wenig Interesse an dem Atomthema. Am Persischen Golf stand der von Deutschen konstruierte, halbfertige Reaktor Bushehr. Nachdem die Anlage 1985 im irakisch-iranischen Krieg bombardiert worden war, ließ man die Ruine zunächst liegen. Erst Mitte der neunziger Jahre kam die Konstruktion mit russischer Hilfe wieder in Gang. Inzwischen laufen die letzten Funktionstests, auch wenn Moskau die Lieferung der Brennstäbe hinauszögert.

Das Umdenken bei der militärischen Nutzung ging schneller, auch wenn Chomeini versicherte, alle Massenvernichtungswaffen seien mit der islamischen Religion unvereinbar. Auslöser war das Trauma des irakisch-iranischen Krieges – eine halbe Million Tote und zehntausende durch irakisches Giftgas verstümmelte Veteranen. Gegen Ende des Krieges traf sich in der Stadt Kerman der damalige Chef der Revolutionären Garden und heutige konservative Präsidentschaftskandidat, Mohsen Rezai, mit einem der führenden Kernphysiker des Landes. Wie sich der Experte erinnert, sagte ihm Rezai damals, der Iran müsse sich mit allem bewaffnen, was für einen Sieg erforderlich sei – „auch eine Atombombe, wenn das nötig ist“. Andere Kommandeure versicherten dem Forscher, der 1992 seine Heimat verließ, die nötigen Haushaltsmittel stünden bereit.

Exiliraner deckten dann 2002 auf, dass in Natanz eine geheime Anlage zur Urananreicherung entstanden war. Dies wäre neben der vom Schah favorisierten Plutoniumabscheidung der zweite technische Weg, um eine Atombombe zu bauen. Drei Runden von Sanktionen hat der UN-Sicherheitsrat seither beschlossen, um von Teheran einen Stopp der Anreicherung zu erzwingen. Bisher jedoch vergeblich.

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