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Unter Beobachtung. Zu jedem Treffen zum Thema Laufzeitverlängerung organisiert die Anti-Atombewegung Proteste. Diesmal am Freitagmorgen vor dem Kanzleramt.

© dpa

Atomkraft: Moderat oder gar nicht

In der Union wird weiter über den Weg zu einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke gestritten. Zwischen Röttgen und Mappus steht es weiter null zu null.

Die Bundesregierung will ihre Entscheidung über ein Energiekonzept vorziehen. „Das Energiekonzept soll zügig, wenn möglich noch bis Ende Juli beschlossen werden“, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Damit fällt auch die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke frühestens in der Sommerpause und nicht, wie das der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) verlangt hatte, schon am gestrigen Freitag. Allerdings erwartet die Regierung die von ihr in Auftrag gegebenen Energieszenarien erst Mitte Juli. Der Zeitplan ist, wie Wilhelm sagte, „ambitioniert“.

Am Freitagmorgen zwischen acht und neun Uhr diskutierten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Umweltminister Norbert Röttgen (alle CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder mit Atomkraftwerken, Stefan Mappus (Baden-Württemberg), Roland Koch (Hessen), Christian Wulff (Niedersachsen), Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein) und Horst Seehofer (Bayern) darüber, ob für eine Laufzeitverlängerung die Zustimmung des Bundesrates notwendig sei. Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr, weshalb Mappus – im Gegensatz zu sonst – verlangt hatte, die Laufzeitverlängerung ohne Länderbeteiligung durchzusetzen. Nach Mappus’ Interpretation dient das Energiekonzept vor allem dazu, die Laufzeiten für Atomkraftwerke möglichst umfangreich zu verlängern. Und in seinem Bundesland steht mit Neckarwestheim 1 die Anlage, die spätestens Ende des Jahres als erste vom Netz gehen müsste.

Die Runde war sich am Ende dennoch einig, dass es schwer zu vermitteln wäre, die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung vorzuziehen und so das Energiekonzept faktisch überflüssig zu machen. Seit seinem Amtsantritt wiederholt Umweltminister Röttgen gebetsmühlenhaft, dass die Laufzeitverlängerung Teil eines Gesamtkonzepts sein müsse.

Während die Südländer und Kanzleramtsminister Pofalla eine Beteiligung des Bundesrats für überflüssig halten, ist Röttgen überzeugt, dass ein entsprechendes Gesetz zustimmungspflichtig wäre. So sieht das auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, den Röttgen um ein Gutachten dazu gebeten hatte. Das Innen- und das Justizministerium sind in einem weiteren Gutachten für die Kanzlerin zu der Auffassung gelangt, dass „nicht sicher davon ausgegangen werden (kann), dass das Bundesverfassungsgericht im Streitfall die Zustimmungsbedürftigkeit verneint“. Allenfalls eine „moderate“ Laufzeitverlängerung sei wohl ohne Zustimmung möglich.

Nun sollen die beteiligten Ministerien mit den betroffenen Ländern bis Mitte Juli aushandeln, was eine „moderate“ Laufzeitverlängerung verfassungsrechtlich bedeutet. Das ist auch politisch umstritten. Für Unions-Fraktionschef Volker Kauder wären wohl 28 Jahre noch „moderat“, schließlich hat er durchgesetzt, dass in den Energieszenarien auch diese Variante gerechnet wird. Gemessen an den rund zehn Jahren Laufzeit, die noch zur Verfügung stehen, dürfte die Zahl irgendwo zwischen null und sechs Jahren liegen. Für Stefan Mappus, der zuletzt eine Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren gefordert hat, wäre das aber vermutlich nicht genug.

Jochen Stay sieht in der Uneinigkeit der Union einen „Erfolg der Anti-Akw-Bewegung“. Der Sprecher des Aktionsnetzwerks „Ausgestrahlt“ hatte zu der Protestaktion am Freitagmorgen vor dem Kanzleramt aufgerufen, bei der rund 200 Aktivisten ihrem Unmut Luft machten.

Seehofer nörgelte nach der Sitzung, es habe keine wesentlichen Fortschritte gegeben. Jürgen Rüttgers, Noch-Ministerpräsident in NRW, und Peter Harry Carstensen (beide CDU) betonten beide am Freitag, dass „eine Mitwirkung der Länder in dieser Frage erforderlich“ sei. Carstensen kann sich dabei auch auf eine Rechtsexpertise aus seinem Justizministerium stützen, das in Kiel für die Atomaufsicht zuständig ist. Auch die FDP-Fraktion in Schleswig-Holstein ist nicht bereit, generell ja zu einer Laufzeitverlängerung zu sagen. Das hat der liberale Fraktionschef Wolfgang Kubicki bereits vor Wochen angekündigt. Und Carstensens Regierung hat in Kiel nur eine Stimme Mehrheit. Außerdem legt die dortige Landesregierung keinen gesteigerten Wert darauf, dass die Skandal-Meiler in Krümmel und Brunsbüttel wieder ans Netz gehen. Rüttgers wiederum als Ministerpräsident eines Kohlelands sieht vor allem die Konkurrenz der Atomkraftwerke zu den Kohlekraftwerken in NRW.

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