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Atomstreit: Ahmadineschad verwahrt sich gegen Vorwürfe

Der iranische Präsident hat die internationale Kritik an der zweiten Atomfabrik seines Landes zurückgewiesen. Unterdessen verschärfen die USA und Russland den Ton.

Das Eingeständnis des Iran, eine zweite Anlage zur Urananreicherung zu bauen, hat in der Weltgemeinschaft eine Debatte über die Umgang mit dem Regime in Teheran entfacht. US-Präsident Barack Obama warnte am Samstag das Mullah-Regime in seiner wöchentlichen Radio- und Internetbotschaft vor gravierenden Konsequenzen, sollte die iranische Führung bei ihrem Atomprogramm nicht einlenken. Dabei schloss er für die USA auch militärische Lösungen nicht aus. "Wir schließen keine Option aus, wenn es um die Sicherheit der USA geht", sagte Obama. Er setze jedoch auf die Gespräche mit Iran am 1. Oktober in Genf. Er hoffe, dass Teheran einlenke.

Der Bau der Anlage soll den westlichen Geheimdiensten bereits länger bekannt gewesen sein. Wie der Sender CNN berichtete, haben die USA ihre Geheimdiensterkenntnisse über den Bau der zweiten Anlage im Iran offenbar schon seit geraumer Zeit mit Russland und China geteilt. Damit habe Präsident Obama die Länder dazu bewegen wollen, möglichen Sanktionen gegen den Iran zuzustimmen, wurden Regierungskreise zitiert.

Offenbar mit Erfolg. Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew unterstrich zwar seine Position, zunächst durch Gespräche und ein "System der Anreize für den Iran" zu einer Lösung zu kommen. Allerdings fügte er an: "Wenn das nicht funktioniert und die Zusammenarbeit nicht klappt, sollten andere Mechanismen, von denen ich gesprochen habe, angewendet werden." Er schloss nicht aus, dass die Vetomacht Russland im Unterschied zu früher Sanktionen gegen den Iran im Weltsicherheitsrat unterstützen könnte.

Im Vergleich zu bisherigen russischen Stellungnahmen äußerte sich Medwedjew damit ungewohnt bestimmt. Das Wort Sanktionen nahm er indes nicht direkt in den Mund. Er hatte sich aber bereits am Mittwoch mit Obama darauf verständigt, dass zusätzliche Strafmaßnahmen nötig sein könnten, wenn Iran nicht auf Vorschläge zur Beilegung des seit Jahren anhaltenden Konflikts reagieren werde. Bisher hatte Russland zusammen mit China stets eine skeptische Haltung eingenommen, wenn es im UN-Sicherheitsrat um schärfere Sanktionen gegen die Islamische Republik ging.

Auch die britische Regierung setzt auf Diplomatie. "Keine vernünftige Person schaut ohne große Beunruhigung auf die militärische Frage“, sagte Außenminister David Miliband im BBC-Radio. "Deshalb sind wir zu 100 Prozent dem diplomatischen Weg verpflichtet.“ Iran müsse beim Treffen in der Schweiz am kommenden Donnerstag alle offenen Fragen beantworten. Doch auch er wollte eine militärische Reaktion im Ernstfall nicht ausschließen. Die Vereinten Nationen zeigten sich sehr besorgt über die Entwicklung. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte konstruktive Verhandlungen so schnell wie möglich.

US-Präsident Barack Obama hat der Führung Irans unterdessen eine systematische Verschleierung ihres Atomprogramms vorgeworfen. Die Entdeckung einer bislang geheimen Atomfabrik zeige ein besorgniserregendes Muster von Ausflüchten, sagte Obama am Samstag in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache.

Der Iran hatte die Existenz der Anreicherungsanlage nahe der Stadt Kom erst am Montag der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) mitgeteilt. Nach Einschätzung der USA wollte das Land damit dem Westen zuvorkommen, der bereits im Vorfeld von der Anlage erfahren hatte. Obama sprach von einer ernsten Herausforderung für das internationale System der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen.

Die für den 1. Oktober geplanten Verhandlungen mit dem Iran erhielten dadurch eine besondere Dringlichkeit. An den Verhandlungen sollen neben dem Iran die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China - sowie Deutschland teilnehmen.

Irans Präsident Mahmud Ahmadineschad wies die Kritik des Westens zurück. Die Vorwürfe gegen Iran seien unbegründet, sagte der iranische Präsident vor Journalisten in New York. "Wir halten alle Vorschriften der Internationalen Atomenergiebehörde ein."

Zudem bestritt Ahmadineschad eine Geheimhaltung des Baus der Anlage. Er sei überrascht über die Aufregung, die die Nachricht von der zweiten iranischen Atomfabrik ausgelöst habe. Schließlich habe Iran die Behörde bereits vor einem Jahr über den Bau der Anlage unterrichtet. Damit habe Teheran die IAEA sogar früher als vorgeschrieben aufgeklärt. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte dagegen unter Berufung auf Diplomatenkreise berichtet, die Behörde sei erst in dieser Woche über die neue Atomfabrik informiert worden.

Zu dem Vorwurf von US-Präsident Barack Obama, dass der Bauplan der neuen Anlage nicht mit einer friedlichen Nutzung zu vereinbaren sei, sagte Ahmadinedschad: "Ich glaube nicht, dass Obama ein Atomexperte ist." Die Anlage soll in Kürze in Betrieb gesetzt werden, wie ein hochrangiger Berater des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei am Samstag laut iranischen Medienberichten mitteilte.

Darüber hinaus hat Iran nach eigenen Angaben bereits Absprachen mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zur Inspektion der umstrittenen Anlage getroffen. Es werde eine "Inspektion der neuen Fabrik in angemessener Zeit geben", sagte der Leiter der iranische Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, am Samstag im staatlichen Fernsehen. Ein genaues Datum nannte er nicht.

Diplomaten hatten am Freitag berichtet, dass in der Anlage Platz für rund 3000 Zentrifugen sei. Das sei etwa die Menge, die man benötige, um innerhalb eines Jahres das Material für eine Atombombe herzustellen, allerdings nicht genug für einen Atomreaktor. Kritiker betonten daher, dass dies für einen militärischen Charakter der Urananreicherung spreche. In der ersten Anlage in Natans ist laut Experten Platz für rund 50 000 Zentrifugen, wovon etwa 8000 aufgestellt sein sollen.

Die neue Atomfabrik des Iran wird einem Agenturbericht zufolge in Kürze ihren Betrieb aufnehmen. Das sagte Mohammad Mohammadi-Golpajegani, ein hochrangiger Berater des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei, am Samstag der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Fars zufolge.

Die iranischen Revolutionsgarden kündigten zudem ab Sonntag weitere Raketentests an. Mit dem jährlichen Manöver solle die Fähigkeit der Streitkräfte zur Abschreckung erhalten und verbessert werden, berichtete die Nachrichtenagentur ISNA am Samstag. Der Iran hatte im Juli 2008 bei einem Großmanöver neun Raketen getestet, darunter auch die modernste Version der Schahab-3-Rakete mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern. Die Regierung hatte den damaligen Raketentest als eine Warnung an die "Feinde" des Irans bezeichnet.

Die USA und ihre westlichen Verbündeten verdächtigen Teheran, unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Kernenergie die Produktion von Atomwaffen voranzutreiben. Am 1. Oktober wollen die fünf UN-Vetomächte sowie Deutschland mit Iran in Genf über das umstrittene Urananreicherungsprogramm sprechen.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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