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Nr.1. Das Atomkraftwer in Buschehr (Archivfoto von 2006)

© dpa

Atomstreit: Iran bringt sein erstes Atomkraftwerk ans Netz

Der Iran will Ende der Woche sein erstes Atomkraftwerk in Betrieb nehmen. Russland unterstützt das Vorhaben, obwohl der UN-Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen Teheran vor wenigen Wochen verschärft hat. Warum?

Das iranische Regime triumphiert. Buschehr geht ans Netz. Endlich soll der 1000-Megawatt-Meiler an der Golfküste gegenüber von Kuwait angefahren werden. Und endlich findet die Islamische Republik Aufnahme in dem ersehnten Kreis der Atommächte. Nach Jahren der Ausreden, Streitigkeiten und Verzögerungen scheint der russische Atomkonzern Rosatom diesmal Wort zu halten. Für Teheran ist der für den 21. August geplante Festakt in Buschehr ein willkommenes Signal, dass es seine Atomziele erreichen kann – trotz internationalem Druck und weltweiter Isolation. Die internationale Gemeinschaft jedoch erfährt einen empfindlichen politischen Rückschlag zu einem Zeitpunkt, an dem der UN-Sicherheitsrat gerade erst eine vierte Runde von Sanktionen gegen den geheimen Teil des iranischen Atomprogramms verabschiedet hat.

Und so macht die iranische Führung aus ihrer Genugtuung auch keinen Hehl. Im staatlichen Fernsehen pries ein Sprecher sein Land als das erste der Region, dem es gelungen sei, die westliche Atomblockade zu durchstoßen. „Die Amerikaner sollten mit ihrer tyrannischen Politik aufhören und nicht erwarten, dass sie damit bei uns irgendetwas erreichen“, stichelte der konservative Parlamentsabgeordnete Alaeddin Borujerdi in der gleichen Sendung. Das Regime fühlt sich beflügelt und sonnt sich in dem neuen Prestige. Die Fronten im Ringen um das iranische Atomprogramm jedoch werden sich weiter verhärten, auch wenn nach wie vor unklar ist, wann genau der Reaktor ans Netz gehen wird.

Während der iranische Atomchef Ali Akbar Salehi von Ende September spricht, kündigten die Russen erst einmal drei- bis viermonatige Testläufe mit einer Minimalkapazität von einem Prozent an. Inzwischen heißt es auch von iranischen Technikern, der Meiler werde frühestens Ende des persischen Kalenderjahres betriebsbereit sein – also März 2011. Denn ein Rest von Misstrauen bleibt. Schließlich hatten die Russen die Inbetriebnahme Buschehrs in den vergangenen Jahren schon mehrfach zugesagt, und jedes Mal fanden sich neue „technische Schwierigkeiten“ oder finanzielle Streitigkeiten.

Die Anlage am Persischen Golf war bereits Mitte der 70er Jahre von der deutschen Kraftwerk Union begonnen worden. Im irakisch-iranischen Krieg wurde der Bau schwer getroffen und verfiel danach. 1995 vereinbarten dann Rosatom und die iranische Atombehörde einen Neuanlauf. Der Vertrag mit einem Volumen von rund einer Milliarde US-Dollar sah die Lieferung eines Leichtwasserreaktors vom Typ WWER-100 sowie die Ausbildung von iranischem Personal vor. Die insgesamt 165 Brennstäbe aus leicht angereichertem Uran hatte Moskau bereits in den Jahren 2007 und 2008 geliefert. Sie lagern seitdem auf iranischem Territorium – versiegelt und überwacht durch die Wiener Atomenergiebehörde IAEO, deren Vertreter auch zur feierlichen Übergabe am 21. August eingeladen sind.

Die Motive Moskaus für dieses plötzliche Entgegenkommen gegenüber dem Iran sind nicht leicht zu entschlüsseln. Denn trotz langjähriger Freundschaftsbeteuerungen ist die Islamische Republik für Russland kein einfacher Partner. Beider Interessen überschneiden sich in der Region um das Kaspische Meer und in Zentralasien, wo Teheran erneut den Status einer regionalen Großmacht anstrebt und damit Moskaus Kreise stört. Zudem ist Russland nicht daran interessiert, den Neustart der Beziehungen zu den USA, auf den beide Präsidenten sich im Juli 2009 mit Mühe verständigten, zu gefährden. Moskau trug danach die Iran-Sanktionen im UN-Weltsicherheitsrat mit und riskierte so ein offenes Zerwürfnis mit Teheran. „Unsere Feinde haben einen neuen Propagandakrieg gegen den Iran gestartet, bei dem die USA Regie führen und der russische Präsident die Ausführung übernimmt“, attackierte Mahmud Ahmadinedschad seinen russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew und bezichtigte ihn, Lügen über Teheran zu verbreiten. Zuvor hatte Medwedew erklärt, der Iran nähere sich der Fähigkeit an, eine Atombombe zu bauen. Das Land lebe aber nicht allein im Universum. Seine Führung müsse die Verantwortung begreifen, die sie vor der internationalen Gemeinschaft habe. Die schärferen Sanktionen, die die EU und die USA danach auf eigene Rechnung verabschiedeten, verurteilte der Kreml allerdings. Gleichzeitig schob Medwedew jedoch der seit 2007 überfälligen Lieferung moderner Luftabwehrsysteme vom Typ SS 300 an den Iran erneut einen Riegel vor.

Die amerikanische Seite reagierte bisher ausgesprochen einsilbig. Buschehr zeige, dass der Iran für sein Nuklearprogramm keine eigene Urananreicherung benötige, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Noch im März hatte US-Außenministerin Hillary Clinton bei ihrem Besuch in Moskau eine Inbetriebnahme des Leichtwasserreaktors als „voreilig“ bezeichnet. Moskau konterte damals, Buschehr stehe nicht in Verbindung mit dem umstrittenen iranischen Atomprogramm. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen dem Strommeiler und der „wachsenden Notwendigkeit“ neuer Strafmaßnahmen wegen des iranischen Atomprogramms.

Der Iran jedenfalls scheint trotz seiner verbalen Siegesfanfaren damit zu rechnen, dass sich der Konflikt in den nächsten Wochen zuspitzen könnte. Spezialisten der iranischen Armee begannen bereits, die Sicherung des Luftraumes über dem Reaktor zu prüfen. Anfang August probten die Revolutionären Garden die militärische Verteidigung der nagelneuen Atomanlage. Bei einer Übung in der Nähe simulierten sie einen ausländischen Luftangriff und holten dabei drei eigene Drohnen mit Abwehrraketen vom Himmel.

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