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Atomstreit: Nordkoreas nuklearer Konter

Der diplomatische Schlagabtausch um Kim Jong Ils Atomwaffenprogramm geht in die nächste Runde: Nach der neuen Resolution des UN-Sicherheitsrats hat Nordkorea den Bau weiterer Atombomben angekündigt und erstmals erklärt, über Urananreicherungsanlagen zu verfügen.

Alles verfügbare Nuklearmaterial solle umgehend für den Bau neuer Waffen vorbereitet werden, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums, die den UN-Beschluss als „widerwärtiges Ergebnis“ und „kriegerischen Akt“ bezeichnete.

Die 15 Sicherheitsratsmitglieder hatten am Freitag einstimmig für neue Sanktionen gestimmt, um Nordkorea für seinen zweiten Atomwaffentest vom 25. Mai zu bestrafen. Die Resolution 1874 verlangt von Pjöngjang den sofortigen Stopp seines Nuklearprogramms und erlaubt UN-Mitgliedsstaaten, verdächtige nordkoreanische Frachtlieferungen zu kontrollieren. Die völkerrechtlich bindenden Sanktionen verbieten dem Land jegliche Waffenexporte sowie die Einfuhr der meisten Waffenklassen.

Dass die Zwangsmaßnahmen die Spannungen zunächst weiter verschärfen würden, war allgemein erwartet worden. Washingtons UN-Botschafterin Susan Rice erklärte, es wäre „keine Überraschung, wenn Nordkorea auf diese sehr harten Sanktionen mit weiteren Provokationen reagieren würde“. Ein dritter Atombombentest sei nicht auszuschließen. Geheimdienste rechnen auch mit dem baldigen Start einer neuen Interkontinentalrakete.

Pjöngjangs Erklärung, über Urananreicherungsanlagen zu verfügen, soll der Welt offenbar demonstrieren, dass Nordkorea genügend Kernmaterial für ein beträchtliches Atomwaffenarsenal besitzt. Das Land hat große natürliche Uranvorkommen. Die USA hatten Nordkorea bereits 2002 vorgeworfen, heimlich Uran anzureichern, was Pjöngjang jedoch abstritt. Bisher gehen ausländische Experten davon aus, dass Nordkorea 30 bis 50 Kilogramm Plutonium besitzt, was theoretisch für den Bau von sechs bis neun Bomben reichen würde. Allerdings ist unklar, wie viel davon bereits in kernwaffenfähiges Material umgewandelt worden ist.

Der Eskalationskurs ist für Diktator Kim Jong Il gefährlich, denn er riskiert damit, dass ihm sein letzter Verbündeter China die Unterstützung verweigert. Hatte die Volksrepublik in der Vergangenheit schärfere UN-Sanktionen verhindert, stimmte sie diesmal für die Zwangsmaßnahmen und erneuerte am Samstag noch einmal ihre Kritik. Nordkoreas Atomwaffenprogramm „beeinträchtigt die Effektivität der internationalen Mechanismen zur Nichtverbreitung von Nukleartechnologie und untergräbt außerdem Frieden und Stabilität in Nordostasien“, erklärte das Pekinger Außenministerium. Sollte Kim zum Atomwaffensperrvertrag zurückkehren, stellte China ihm allerdings das „Recht auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie“ in Aussicht.

Nordkoreas Atombombentest hatte in Nordchina erhebliche Unruhe in der Bevölkerung hervorgerufen. Die unterirdische Detonation hatte nur 70 Kilometer von der Grenze entfernt stattgefunden und in China Erdbeben ausgelöst. Seitdem kursiert die Angst vor Strahlenverseuchung und möglichen Atomunfällen. Einem Bericht der japanischen Tageszeitung „Tokio Shimbun“ zufolge soll Peking bereits eigene Sanktionen verhängt und etwa die Rohöllieferungen reduziert haben. Die Volksrepublik ist mit Abstand wichtigster Wirtschaftspartner Nordkoreas und für die Versorgung des Regimes überlebenswichtig.

Russland, das die UN-Resolution ebenfalls mitgetragen hat, schließt derweil schärfere Maßnahmen gegen Nordkorea nicht aus. Sollte Pjöngjang nach der neuen Resolution des Weltsicherheitsrats nicht einlenken, könnte die internationale Gemeinschaft zu noch härteren Mitteln greifen, warnte Konstantin Kossatschow, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma, am Samstag in Moskau. Nordkorea solle „destruktive Handlungen“ unterlassen.

Seoul arbeitet derweil bereits an einer neuen Strategie für eine mögliche neue Runde der Pekinger Sechs-Parteien-Gespräche, an denen in der Vergangenheit neben den beiden Koreas auch China, die USA, Russland und Japan teilgenommen haben. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak erklärte am Samstag in einem Interview, die Verhandlungen hätten Nordkorea stets Gelegenheit gegeben, Zeit zu schinden und derweil seine eigenen Ziele voranzutreiben. „Ich glaube, dass es zu diesem kritischen Zeitpunkt wichtig ist, die Fehler von früher nicht zu wiederholen“, sagte Lee. Er will das Thema am Dienstag in Washington mit US-Präsident Barack Obama besprechen.

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