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Polenz

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Atomstreit: "Ohne Vorbedingungen mit Iran verhandeln"

CDU-Politiker Ruprecht Polenz über den US-Geheimdienstbericht, Sanktionen gegen Iran und die Rolle der EU.

Herr Polenz, noch vor wenigen Wochen haben Sie vor einem US-Militärschlag gegen den Iran gewarnt. Ist diese Gefahr durch den neuen US-Geheimdienstbericht gebannt, wonach Iran sein Atomwaffenprogramm 2003 gestoppt hat?

Durch den Bericht ist eine gewisse Entspannung eingetreten. Die Sorge, dass der Iran mit Hochdruck an einem Nuklearwaffenprogramm arbeitet, ist nicht begründet, da diese Aktivitäten 2003 eingestellt wurden. Der Bericht macht weitere wichtige Punkte: Frühestens 2009 hat der Iran genügend Uran zusammen, um daraus eine Waffe zu bauen. Es gibt aber keine Hinweise, dass er das will. Erst 2015 wird das Land über genügen Plutonium für eine Atomwaffe verfügen. Der Bericht kommt zu der Einschätzung, dass sich der Iran nicht definitiv darauf festgelegt hat, die Atomwaffe auf jeden Fall zu bauen. Im Gegenteil: Die Machthaber lassen sich durchaus von Kosten- und Nutzen-Erwägungen leiten.

Bestätigt der Bericht damit den europäischen Ansatz, der auf die Mischung von Anreizen und Druck setzt?

Der europäische Ansatz ist dadurch bestätigt: Es gibt Möglichkeiten, das Handeln des Iran von außen zu beeinflussen – und zwar mit diplomatischen Mitteln.

Wie wahrscheinlich ist es nun, dass Russland und China die angekündigte dritte Runde von Sanktionen im UN-Sicherheitsrat mittragen werden?

Der Sicherheitsrat sollte seine alte Resolution erneut bekräftigen, ohne die Sanktionen weiter zu verschärfen. Für eine Verschärfung fehlt nach dem US-Bericht nun voraussichtlich die internationale Unterstützung. Er darf die Sanktionen aber auch nicht aufheben. Denn der Iran arbeitet weiter nicht rückhaltlos mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien zusammen und ist auch der Forderung des Sicherheitsrates nach Suspendierung der Urananreicherung nicht nachgekommen.

Wie sollte man auf den Bericht reagieren?

Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, mit dem Iran wieder direkt zu verhandeln. Die Verhandlungen waren abgebrochen worden, weil der Westen befürchtete, die Gegenseite wolle nur Zeit schinden, um während der Gespräche mit Hochdruck an dem Waffenprogramm zu arbeiten. Dieser Befürchtung muss man nach Einschätzung der US- Nachrichtendienste nicht haben. Wir könnten deshalb mit Iran verhandeln ohne die Vorbedingung, wonach er erst die Urananreicherung suspendieren muss. Wir sollten darüber verhandeln, wie Teheran der Weltgemeinschaft dauerhaft garantiert, dass sein Atomprogramm friedlich bleibt. Ein erster Schritt wäre die Unterzeichnung des Nichtverbreitungs- Zusatzprotokolls, das auch nicht angemeldete, intensive Kontrollen der IAEO erlaubt.

Braucht es neue Anreize der EU, um mehr Bewegung in den Prozess zu bringen?

Ein Kooperationsangebot der EU liegt auf dem Tisch. Wir sind bereit, über eine Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet und im Energiesektor zu sprechen. Diese Gespräche sollte man mit der Forderung verbinden, dass Teheran den von den USA in Annapolis neu angestoßenen Nahostfriedensprozess nicht behindert und auf die Hamas und die Hisbollah mäßigend einwirkt.

Macht die neue US-Haltung die Unterhändler Teherans flexibler oder werden sie nun hoffen, dass der internationale Druck ganz wegfällt?

Es besteht die Gefahr, dass sie diesen falschen Eindruck gewinnen. Deshalb muss der Sicherheitsrat die schon beschlossenen Sanktionen nun noch einmal bekräftigen. Wir haben nach wie vor allen Anlass, besorgt zu bleiben. Die feindselige Haltung Teherans gegenüber Israel und die Gegnerschaft zum Annapolis-Prozess erhöhen die Spannung in der Region. Dem müssen wir entgegenwirken, der Iran bleibt ein gefährliches Land.

Das Gespräch führte Hans Monath.

Ruprecht Polenz (61) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Der CDU-Abgeordnete beschäftigt sich seit rund zehn Jahren intensiv mit der Entwicklung im Iran.

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