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Vor der Tepco-Zentrale. Hunderte Japaner haben am Sonntag für ein Ende der Atomkraft demonstriert.

© AFP

Atomunglück in Fukushima: Jetzt demonstrieren auch die Japaner

Die Japaner sind zunehmend unzufrieden mit mit Krisenmanagement der Regierung. Neue Hiobsbotschaften schüren die Angst vor einem Super-GAU.

Der Unmut über das Krisenmanagement der japanischen Regierung wächst. Angesichts der Katastrophe in Fukushima haben erstmals auch hunderte Japaner für ein Ende der Atomkraft demonstriert. In der Hauptstadt Tokio und in Nagoya im Zentrum des Landes versammelten sich am Sonntag jeweils rund 300 Demonstranten. „Wir brauchen keine Kernkraft“, skandierten die Protestteilnehmer in Tokio, die auch am Sitz des für Fukushima verantwortlichen Energiekonzerns Tepco vorbeimarschierten. Einige Protestteilnehmer trugen Gasmasken.

In Nagoya wandten sich die Protestteilnehmer in Sprechchören lautstark gegen „ein zweites Fukushima“. Insbesondere forderten sie die Stilllegung des etwa 120 Kilometer entfernten Atommeilers Hamaoka in einem Erdbebengebiet an der Südküste der Insel Honshu. Mit herzförmigen Luftballons zogen auch sie vor das Gebäude eines Energieversorgers. Wie eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo ergab, missbilligen 58,2 Prozent der befragten Bürger den Umgang der Regierung mit der Katastrophe.

Angaben über die Strahlenbelastung in Fukushima sind verwirrend

Unterdessen gab es verwirrende Angaben über die Strahlenbelastung in Fukushima: Der Atomkonzern Tepco stellte am Sonntag seine eigenen Angaben zu Ursache und Stärke der Radioaktivität in Block 2 des Kraftwerks infrage. Das berichteten die Nachrichtenagenturen Kyodo und Jiji. Laut Tepco seien womöglich andere radioaktive Substanzen als das bisher gemeldete Jod-134 im Wasser desTurbinenhauses enthalten. Zudem habe es bei der Berechnung der Zahlenwerte womöglich Fehler gegeben. Nach den bisherigen Angaben war die Radioaktivität in dem Wasser etwa zehn Millionen Mal höher gewesen als normalerweise. Daraufhin hatten Arbeiter das Feld räumen müssen. Nähere Angaben machte das Unternehmen zunächst nicht. Die Gefahr eines Super-GAUs scheint weiterhin nicht gebannt zu sein.

Die Reaktorsicherheitsagentur NISA hatte außerdem von einer hohen Konzentration des Isotops Jod-134 im Wasser von Reaktor 2 berichtet. Das könne auf einen Schaden am Reaktorkern hinweisen, hieß es. Die Regierung forderte Tepco am Sonntag auf, herauszufinden, woher das radioaktiv verseuchte Wasser komme. Das verseuchte Wasser macht die Arbeit lebensgefährlich. Es sollte dennoch abgepumpt werden, um an der dringend nötigen Verkabelung der Kühlsysteme arbeiten zu können. Wasser steht bis zu einem Meter hoch in den Turbinenhäusern aller vier Reaktorblöcke von Fukushima Eins. Es ist jedoch unterschiedlich stark belastet.

Anti-Atom-Proteste jetzt auch in Japan. Dieser Demonstrant mit Gasmaske protestierte vor dem Firmensitz des Fukushima-Betreibers Tepco in Tokio.
Anti-Atom-Proteste jetzt auch in Japan. Dieser Demonstrant mit Gasmaske protestierte vor dem Firmensitz des Fukushima-Betreibers Tepco in Tokio.

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Radioaktives Wasser sei aus dem Atomwrack ins Meer geflossen

Das Meer vor Fukushima wird unterdessen zunehmend radioaktiv mit dem Isotop Jod-131 verseucht. Am Sonntag übertraf die Strahlung den zulässigen Grenzwert bereits um das 1850-fache. Am Samstag war es noch das 1250-fache. Tepco räumte ein, dass wahrscheinlich radioaktives Wasser aus dem Atomwrack ins Meer geflossen sei. Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die Konzentration der radioaktiven Substanzen im Meer schnell verdünnt, so dass derzeit keine größere Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe.

Mit der seit vielen Tagen erhofften Wiederherstellung der Stromzufuhr sollen auch die mächtigeren Maschinen des regulären Kühlsystems wieder laufen. Ein Teil der Technik benötige aber Gleichstrom, an dem noch gearbeitet werde. Am Sonntag sollte testweise auch die Klimaanlage im Reaktorblock 1 eingeschaltet werden.

Der Betreiber konzentrierte sich am Wochenende darauf, mehr und mehr Süßwasser in die havarierten Reaktoren von Fukushima Eins zu pumpen. Im Laufe des Sonntags sollten dafür noch stärkere Pumpen eingesetzt werden, kündigte die Reaktorsicherheitsbehörde NISA an. Süßwasser hinterlässt beim Verdampfen kein Salz, das den Fluss des Kühlwassers behindern könnte. Unter anderem sei die US-Marine mit einer großen Wasserladung nach Fukushima unterwegs.

Seit Beginn der Krise wurden bereits 17 Arbeiter verstrahlt

Ins Abklingbecken des vierten Reaktors, in dem abgebrannte Brennelemente gekühlt werden müssen, wurde am Sonntag aber weiterhin Salzwasser geleitet.

Seit Beginn der Krise wurden 17 Arbeiter verstrahlt. Zwei von ihnen kamen mit Verbrennungen an den Füßen ins Krankenhaus, weil sie in Reaktor 3 in verseuchtem Wasser gestanden hatten. Tepco räumte ein, dass drei verstrahlte Arbeiter nicht vor dem radioaktiven Wasser im Turbinengebäude gewarnt worden waren. Die drei Arbeiter sollten noch in einem Institut für Strahlenforschung untersucht und dann am Montag entlassen werden. Es gebe keine gesundheitlichen Probleme, berichtete Jiji unter Berufung auf die Ärzte.

Die Gefahr ist auch nach Einschätzung des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, noch lange nicht gebannt. Es sei immer noch unklar, ob die Reaktorkerne und die abgearbeiteten Brennstäbe mit Wasser bedeckt seien und ausreichend gekühlt werden könnten, sagte Amano der „New York Times“. Das Erdbeben und der Tsunami am 11. März hatte den Nordosten Japans teilweise verwüstet. Mehr als 10 000 Menschen kamen ums Leben.

Die Lage der Erdbebenopfer ist immer noch dramatisch

Es werden aber wesentlich mehr Tote vermutet, da tausende Menschen noch vermisst sind. Die Lage der Erdbebenopfer ist immer noch dramatisch. Am Wochenende behinderten auch Schnee und eisige Temperaturen die Bergungsarbeiten. In vielen Notunterkünften gibt es kein Heizmaterial.

Der japanische Kaiser öffnete derweil Baderäume seiner Bediensteten in der kaiserlichen Villa im ostjapanischen Ort Nasu nahe der Unglücksregion für Opfer des Erdbebens und Tsunamis. Erste Obdachlose aus einem der Notlager in der Nachbarprovinz Fukushima, wo viele Menschen seit Tagen bei Kälte und Versorgungsmangel ausharren, konnten so ein heißes Bad nehmen, berichtete die Agentur Jiji. (AFP/dpa)

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