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Acht Uhr morgens: Die Interkontinentalrakete „Agni V“ wird von der Insel Wheeler Island vor der Ostküste Indiens aus gestartet.

© AP

Atomwaffentest in Indien: Aufstieg in den Klub

Erstmals hat Indien am Donnerstag eine atomwaffenfähige Langstreckenrakete getestet. Dieses nukleare Muskelspiel gilt vor allem dem übermächtigen Nachbarn China.

Von einem „historischen Tag“ sprachen die Kommentatoren in indischen Fernsehsendern, von einem „Meilenstein“ Politiker, und Militärexperten meinten, die Karten seien nun neu gemischt: Erstmals hat Indien am Donnerstag eine atomwaffenfähige Langstreckenrakete eigener Produktion getestet. Die nuklearen Muskelspiele gelten vor allem dem übermächtigen Nachbarn China.

Mit einer Reichweite von 5000 Kilometern könnte die neue Rakete, die einzelne Medien sogar als „China-Killer“ betitelten, Ziele fast überall in Asien, aber auch auch in Osteuropa erreichen. Indien steigt damit in einen illustren Klub auf. Sicher weiß man bisher nur von den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats, den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, dass sie atomare Langstreckenwaffen besitzen. Es wird allerdings vermutet, dass auch Israel dazugehört.

Gut 17 Meter lang und 50 Tonnen schwer ist die „Agni V“, Hindi für „Feuer“, sie kann einen Sprengkopf von über einer Tonne Gewicht tragen. Viele Fernsehsender zeigten am Donnerstagvormittag immer wieder, wie die Rakete um acht Uhr morgens vom Testgelände auf Wheeler Island vor der ostindischen Küste in den Himmel schoss und später im Meer versank. Der Test sei „ein hundertprozentiger Erfolg“ gewesen, vermeldete die zuständige Behörde DRDO beim Verteidigungsministerium. Premierminister Manmohan Singh gratulierte den Wissenschaftlern. Die neue Rakete sei die Krönung des in den 1960er Jahren gestarteten Raketenprogramms, erklärte die Regierung.

Indien gilt seit seinem Test 1974 als Atommacht. Seine bisherigen Trägerraketen hatten aber nur eine Reichweite von rund 3500 Kilometern, womit aber immer noch Ziele in ganz Pakistan erreichbar wären. Mit Agni V gälte das nun für ganz China. Umgekehrt können Chinas Raketen bereits heute jeden Ort in Indien erreichen.

Peking reagiert offiziell entspannt

Peking reagiert offiziell entspannt. „Wir sind keine Konkurrenten, sondern Kooperationspartner“, kommentierte der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Liu Weimin, den indischen Raketentest. Deutlich giftiger war der Kommentar der Staatszeitung „Global Times“: Indien werde einen Rüstungswettlauf verlieren und solle seine Stärke nicht überschätzen, heißt es darin. Delhi schüre nur Feindseligkeit und mache sich zum Helfershelfer des Westens.

Zwar verfolgt Indien keine Erstschlagsdoktrin und dürfte sich freiwillig nicht auf einen Krieg mit dem weit überlegenen China einlassen. Bereits 1962 hatte sich das Land bei einer Grenzschlacht eine blutige Nase geholt. Das Misstrauen sitzt seither tief. Die Rakete diene nur der Abschreckung und der eigenen Sicherheit, versicherte Delhi.

Doch Indien lässt keinen Zweifel, dass es ein Gegengewicht zu Chinas Dominanz setzen will, um im Konfliktfall nicht dessen Atomwaffen wehrlos ausgeliefert zu sein. Beide Länder haben ihre Militärbudgets erhöht: China um fast elf Prozent auf 106 Milliarden Dollar, Indien um 17 Prozent auf weit mehr als 40 Milliarden Dollar. Indien ist zum größten Waffenimporteur der Welt aufgestiegen.

Auch Ziele in Osteuropa könnte Indien mit Agni V erreichen. Doch der Westen blieb gelassen. Man sehe das demokratische Indien nicht als Bedrohung an, erklärte die Nato. China warf dem Westen daraufhin Doppelmoral vor. Dieser ignoriere, dass Indien Abkommen zur Kontrolle von Atomwaffen nicht unterzeichnet habe.

Rund 370 Millionen Euro hat sich Indien die Entwicklung von Agni V kosten lassen. Sie soll insgesamt vier Mal getestet werden, bevor sie 2014 oder 2015 eingeführt wird. Indien sieht sich von feindlichen Mächten umstellt – im Westen ist das der Erzfeind Pakistan, im Norden ist es China. Obwohl sich die Beziehungen zu China entspannt haben, sind beide Länder in vielen Bereichen auch Rivalen. Immer wieder kommt es zu Spannungen und Grenzkonflikten. Mit Sorge sieht Indien derzeit etwa die Versuche Chinas, seinen Einfluss im Indischen Ozean auszuweiten. Beide Länder konkurrieren außerdem auch um Einfluss etwa in Nepal, Sri Lanka, Bhutan oder Birma.

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