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Politik: Attac will draußen bleiben

Rot-Grün gibt sich verwundert über das Interesse an den Globalisierungskritikern – die planen keine Parteigründung

Von Hans Monath

Von M. Leinkauf,

M. Meisner und H. Monath

Wirkliche Angst sieht anders aus. Die Massenproteste von Attac und Co. gegen den vermeintlichen „Sozialkahlschlag“ haben die Regierungsparteien wenig beeindruckt. Er rechne nicht damit, dass Attac in Deutschland zu einer gefährlichen Bewegung für das Mitte-Links-Lager werden könne, sagt SPD-Generalsekretär Scholz. „Auch wenn sich einige dies unverantwortlicherweise wünschen. Das Zeug zur Protestbewegung hätten die Organisatoren der Massendemonstration vom Wochenende allein deshalb nicht, weil sie keine einzige Alternative zum Handeln der Regierung vorgetragen hätten. Attac würde sich vor den real vorhandenen Problemen drücken. „Die Idee, die Probleme einfach wegzudemonstrieren, ist vielleicht doch nicht so nachhaltig“, sagt Scholz und kann sich ein Schmunzeln über die eigene Ironie nicht verkneifen.

Ganz so lässig sehen die Sozialdemokraten den Straßenprotest allerdings nicht. Immerhin haben das Phänomen Attac und die Massendemo auch das SPD-Präsidium am Montag beschäftigt. Den einhelligen Tenor hat in der Sitzung Fraktionschef Müntefering formuliert: Attac liefere eine falsche, ja unehrliche Beschreibung der Lage. Schließlich werde man auch in ein paar Jahren noch in einem reichen Land leben. „Die Lichter werden in Deutschland durch unsere Reformen nicht ausgehen“, so der erfahrene Sozialdemokrat, der allerdings auch gern davon erzählt, wie fremd ihm die Grünen-Bewegung in deren Anfangsphase einst war.

Die heutige Grünen-Führung bleibt wie die SPD nach demErfolg der Demonstration bei der Linie, sich hart von den Vorwürfen der Organisatoren abzugrenzen. Protest sei legitim und die Grünen auch zum sachlichen Dialog bereit, versichert zwar Parteichefin Beer. Gleichzeitig beklagt sie sich über „Diffamierungen“ wie den Vorwurf, Rot-Grün wolle Zwangsarbeit einführen. In dem Aufruf zur Demonstration finde sich „kein Anzeichen für ein politisches Konzept“. Eine neue Konkurrenz fürchtet die ehemalige Protestpartei offenbar nicht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies eine große neue Bewegung wird, die politikfähig ist“, versichert Beer.

Und tatsächlich müssen die beiden politisch links stehenden Parteien keine Angst haben, dass da eine neue große Protestpartei entsteht. „Wir werden nicht denselben Weg gehen wie die Grünen“, sagt Attac-Sprecher Kreutzfeld. Man wolle vielmehr draußen bleiben, auf der Straße. Doch noch hat Attac in der Öffentlichkeit für die meisten kein Gesicht. „Wir wollen nicht, dass einer für alle spricht“, sagt Kreutzfeldt.

Bei der französischen Schwesterorganisation ist das anders. Dort sitzt ein Mann an der Vereinsspitze, der durch seine widersprüchliche Biografie viel Aufmerksamkeit erregt: Jacques Nikonoff, der vom Schweißer zum Finanzberater in den USA aufstieg. Und doch trifft Attac auch in Deutschland in der Reformdebatte den Nerv der Menschen, die sich von Rot-Grün nicht mehr vertreten fühlen. Hunderte Mails gingen seit Sonntag in der Attac-Zentrale ein – nicht wenige von Grünen-Anhängern. Die Botschaft: „Weitermachen!“

Dass Attac Konjunktur hat, will die PDS sich zu Nutze machen. Ihr Chef Bisky kündigt an, die soziale Frage in den Mittelpunkt zu rücken und dabei ganz bewusst die Nähe zu Sozialverbänden, den Globalisierungskritikern und den Gewerkschaften zu suchen. Ende November will Bisky den IG-Metall-Vorsitzenden Peters treffen, und möglichst bald auch die Vertreter von Attac. Möglichst noch in diesem Jahr will die Partei zu einem Sozialgipfel mit breiter Beteiligung einladen. „Ich stelle keine Reserviertheit fest“, sagt der Parteichef vorsichtig zur Frage, ob Attac diese strategische Partnerschaft auch wolle.

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