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Nicht ohne meine Waffe! Was in den USA selbstverständlich ist, erzeugt hierzulande Unverständnis.

© dpa

Attentat in Texas und Raser in Deutschland: Die Macht der Unvernunft

Die einen bestehen auf ihr Recht auf Waffenbesitz, die anderen auf die freie Fahrt für freie Bürger. Das ist im Ansatz dasselbe. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Schon wieder richtete ein Mann mit einer Waffe in der Hand ein Massaker unter Menschen an. Knapp einen Monat nach dem Massenmord von Las Vegas hinterließ am Sonntag ein Ex-Soldat 26 Tote in der Kirche von Sutherland Springs, Texas. Dass er dann floh, soll daran gelegen haben, dass ein bewaffneter Anwohner auftauchte.

Waffen hier, Waffen da. Und während nun überall Beileidsbekundungen und Fassungslosigkeitserklärungen ertönen, murrt im Hintergrund auch wieder die immer gleiche Frage nach dem Irrsinn amerikanischer Waffenvernarrtheit. Spinnen die denn? Werden die nie schlau?

Dabei besteht zu allzu selbstgewisser fingerzeigender Hochnäsigkeit nicht viel Anlass. Die Macht der Unvernunft, deren Wirken sich besonders grell ausgeleuchtet in den USA beim Thema Waffen besichtigen lässt, ist auch anderswo am Werke. In weltweiten Klimafragen, um ein aktuelles Beispiel zu nennen. Oder als Dauerbrenner: in Deutschland, wenn es um das Auto geht.

Hier Tempo-30, da Waffenverbot - Geheul ist die Antwort

Die Tat von Texas zeige kein Problem mit Schusswaffen, sondern mit „geistiger Gesundheit“ – der Täter natürlich, nicht der Gesetzgeber. Das twitterte US-Präsident Donald Trump, unterwegs auf mehrtägiger Asienreise, bereits als 140-Zeichen-Ferndiagnose. Und er hat ja auch recht damit. Die Toten sind nicht Resultat der Waffen an sich, sondern des gewissenlosen Umgangs mit ihnen.

Genauso, wie Autos allein keine Unfallopfer produzieren, sondern die Menschen am Steuer. Da, wo sie geltende Tempo- oder Vorfahrtsregeln nicht beachten, oder da, wo es keine Regeln gibt, auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitslimit, oder wenn sie es bei illegalen Autorennen billigend in Kauf nehmen, dass Menschen zu Schaden kommen. Aber Regeln verschärfen? Tempo 30 in allen Städten? Raser härter zu bestrafen? Die Motorkraft von zulassungswürdigen Fahrzeugen von Gesetzes wegen beschränken? Wer sich das wütende Aufheulen vieler Autofahrer und ihrer Lobbyisten auf solche Vorschläge vergegenwärtigt, hämt vielleicht nicht mehr ganz so automatisiert los, wenn in Amerika jeder Waffenreglementierungsversuch einen Wutanfall auslöst, der die Idee dann erledigt.

Die Macht der Unvernunft spielt in beiden Situationen mit, vielleicht bestimmt sie sogar die Spielregeln. Das macht das Auto nicht zum Gegenstück einer Waffe, den leichtfertig riskierten tödlichen Unfall nicht zu einem Sturmgewehrangriff. Da liegen Welten zwischen, keine Frage. Und doch ist es viel mehr als nur eine Ironie, wenn sich nun gerade unter Attentätern das Auto als Tatwaffe etabliert.

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