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Politik: Auch der "Holbrooke Rußlands" bewegt Milosevic nicht zum Einlenken

MOSKAU .Die Belgrader Presse bedachte den ehemaligen Ministerpäsidenten Viktor Tschernomyrdin mit Vorschußlorbeeren: Er gelte den Jugoslawen als russischer Holbrooke, hieß es, und voller Stolz wiederholte dies das russische Fernsehen in Anspielung auf die erfolgreiche Mission des US-Diplomaten vor drei Jahren in Bosnien.

MOSKAU .Die Belgrader Presse bedachte den ehemaligen Ministerpäsidenten Viktor Tschernomyrdin mit Vorschußlorbeeren: Er gelte den Jugoslawen als russischer Holbrooke, hieß es, und voller Stolz wiederholte dies das russische Fernsehen in Anspielung auf die erfolgreiche Mission des US-Diplomaten vor drei Jahren in Bosnien.

Doch der Auftrag von Tschernomyrdin, den Boris Jelzin zu seinem Sonderbotschafter zur Beilegung der Jugoslawien-Krise ernannt hatte, ist ungleich schwerer.Tschernomohr, wie der Altpremier in Moskau respektvoll genannt wird, sollte Milosevic, den selbst der schwierige Jelzin einen "extrem komplizierten Verhandlungspartner" nennt, das schmackhaft machen, was dem anerkannten Meister diplomatischer Verhandlungskünste, Jewgenij Primakow, bei dessen Blitzbesuch in Belgrad Anfang April gründlich mißlang: Die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe im Krisengebiet, die die Rückkehr der Flüchtlinge überwachen soll.

Nicht einmal die softe Variante Moskaus, das den Serbenführer mit UN- oder OSZE-Mandat ködern wollte und mit überproportionaler Präsenz von Kontingenten aus jenen NATO-Staaten, die an den Angriffen nicht beteiligt sind, konnte Milosevic umstimmen.Wie auch Rußland inzwischen argwöhnt, bleibt Milsosevic vor allem aus innenpolitischen Gründen hart.Nach wie vor braucht er die in der Versenkung verschwundene politische Opposition nicht zu fürchten.Ohne ein Okay aus Belgrad aber, will auch Moskau die Stationierung von Blauhelmen im Kosovo nicht akzeptieren.

Zwar blieb am Donnerstag auch Tschernomyrdin der Durchbruch verwehrt.Den hatte ohnehin niemand erwartet, doch dürfte er Milosevic unmißverständlich klargemacht haben, daß Boris Jelzin sich angesichts eigener Bedrängnis nicht länger zum Spielball von machtpolitischen Ambitionen Milosevics machen lassen kann.Von ihm erwartet die Duma Erfolge bei einer friedlichen Regelung in Jugoslawien und droht anderenfalls mit seiner Absetzung.Jelzins entschlossenes Nein, Jugoslawien zum gegenwärtigen Zeitpunkt in den Staatenbund Rußland-Weißrußland aufzunehmen, der dann zu militärischem Beistand verpflichtet wäre, muß in diesem Sinne gedeutet werden.

Mit der Ernennung Tschernomyrdins zum Chefunterhändler in Jugoslawien, die zwangsläufig mit der Demontage von Regierungschef Primakow verbunden ist, will der Kreml Belgrad nun offenbar eines klar machen: Angesichts drohender internationaler Isolation mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen hat Moskaus Geduld ihre Grenzen.Zum Tacheles reden mit Milosevic aber taugt Tschernomyrdin eher als Primakow, der mit der Gunst der Kommunisten steht und fällt und den Jelzin mittelfritsig bereits abgeschrieben hat: "Momentan ist Primakow nützlich, weiter wird man sehen." Tschernomyrdins Stern aber ist erneut im Steigen begriffen.Hinter ihm stehen die Industriekapitäne und Teile der russischen Hochfinanz, die auf einen Durchbruch der Verhandlungslösung in Jugoslawien drängen, weil dessen Markt für sie hochinteressant ist.

Hilfreich ist außerdem, daß Tschernomyrdin, anders als Primakow, noch aus seinen Zeiten als Gazprom-Chef einen heißen persönlichen Draht zu Milosevic hat.Von Primakow unterscheidet ihn zudem, daß er den Kontakt zu beiden Konfliktpartnern sucht.

Neben den Verhandlungen mit Milosevic stand auch eine Begegnung mit Albaner-Führer Ibrahim Rugova auf dem Programm.Westliche Kritiker hatten anfänglich moniert, daß Rußland bei seinen bisherigen Vermittlungsversuchen in Jugoslawien genau jene Fehler machte, an denen bereits die Beilegung von Konflikten innerhalb der GUS scheiterte: Sobald Moskau als Schlichter auftritt, schlägt es sich auf die Seite desjenigen Kontrahenten, von dem maximale politische Dividende zu erwarten sind.Einschlägigen Erbsünden russischer wie sowjetischer Außenpolitik aber hat Tschernomyrdin schon vor seiner Mission eine Absage erteilt.Und schließlich dürfte auch der Westen eher zu Kompromissen geneigt sein, wenn Rußland diese durch Tschernomyrdin aushandeln läßt.Dessen moderate, pragmatische Position bürgt für ein Minimum an Gesichtsverlusten.

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