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Politik: Auch die anderen dürfen richten

Iraks Saddam-Tribunal formiert sich. Ausländer können mitmachen – wenn nötig

Saddam Hussein ist seinem Erdloch zwar entstiegen, doch richtig eng für ihn wird es erst jetzt. US-Präsident George W. Bush will die Todesstrafe für den gestürzten Diktator, Kurdenführer Dschalal Talabani von der Übergangsregierung erklärt, Hinrichtungen seien im Irak erlaubt. Als habe man Saddams Ergreifung vorausgesehen, gilt zudem seit einer Woche das Statut für das irakische Sondertribunal, das die Verbrechen der einstigen Führungsschicht ahnden soll. Und jetzt hat der Regierungsrat in Bagdad erstmals über geeignete Richter gesprochen. Ein Prozess im Irak wird immer wahrscheinlicher.

Das Geschehen entwickelt sich damit in die Richtung, die das State Department gewiesen hat: Ein Verfahren im Land, geführt von Irakern, aber in enger Absprache mit ausländischen Experten, namentlich amerikanischen. Das Sondertribunal-Statut ist ein Ausdruck dieser Strategie – eine Gemeinschaftsarbeit der Iraker mit dem US-Zivilverwalter Paul Bremer.

Das Tribunal soll aus zwei Kammern bestehen, besetzt mit fünf und neun Richtern mit einer Amtszeit von fünf Jahren. Die zweite Kammer dient als Kontrollinstanz der ersten. Dazu kommen noch eine Anklagebehörde und Ermittlungsrichter.

Die Ansprüche an das juristische Personal sind weich formuliert. Sie sollen unparteiisch und unabhängig sein, mit Qualifikationen, die sie zu höchsten Ämtern in der Justiz befähigen. Dass es Iraker sind, ist nicht zwingend. Das Statut legt zwar fest, dass Richter und Staatsanwälte aus dem eigenen Land kommen sollten, öffnet das Gericht aber ausdrücklich für Richter anderer Nationalitäten. „Wenn es nötig ist“, kann der Regierungsrat, der ohnedies für die Auswahl der Richter zuständig ist, sie einfach berufen. Ausländer sollen außerdem als „Berater“ und „Beobachter“ an den Verfahren teilnehmen, gedacht ist an Experten, die mit internationalem Recht vertraut sind. Der Präsident des Gerichts soll auch die „Unterstützung der internationalen Gemeinschaft“, insbesondere der Vereinten Nationen anfordern dürfen.

Das Tribunal ist für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und bestimmte Taten nach dem irakischen Strafgesetz zuständig, etwa die „Verschwendung nationaler Ressourcen“ wie Öl und Wasser. Die Strafen sollen sich ebenfalls nach irakischem Recht richten – das Statut lässt die Todesstrafe damit zu. Lebenslange Haft soll zudem lebenslang bedeuten. Vorzeitige Entlassungen werden ausgeschlossen.

Das Statut ist international bei Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) auf Kritik gestoßen. Zwar deckt es sich in vielen Teilen mit internationalen Standards, wie sie etwa im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt sind. Neben der Todesstrafe ist es aber vor allem die Sorge um die Unbefangenheit und mangelnde Erfahrung der Richter, die sie umtreibt. Dass das Statut Richtern nicht einmal vorschreibt, sie müssten sich im Strafrecht und Strafverfahrensrecht auskennen, hält HRW für ein gravierendes Manko. Ob die Richter damit wirklich „zuständig“ sind, wie es das internationale Recht erfordere, sei zweifelhaft. Es müsse zudem garantiert werden, dass ausländische Richter am Verfahren tatsächlich mitwirken.

So kann es auch kommen, vielleicht notgedrungen. Richterkandidaten aus dem Irak sind rar – und gefährdet. Zwei sind allein im November bei Attentaten getötet worden.

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