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Politik: „Auch gute Seiten“

Jeder Vierte sagt, in NS-Zeit war nicht alles schlecht

Berlin - Rund 21 Prozent der Deutschen finden, der Nationalsozialismus hatte „auch seine guten Seiten“. Das ergab eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung – vor knapp einem Jahr. Am Mittwoch hat nun das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des „Stern“ eine weitere Umfrage zum deutschen Bild vom Nationalsozialismus gemacht. Mehr als 1000 Deutsche wurden gefragt, ob „es auch gute Seiten am Nationalsozialismus gab“. Dabei war im Schnitt jeder vierte Bürger der Meinung, dass im Dritten Reich nicht alles schlecht war.

Angeregt durch die Diskussion rund um die Aussagen der entlassenen Fernsehmoderatorin Eva Herman, wurde nun auch der Durchschnittsbürger befragt. Doch trotz des spektakulären aktuellen Umfelds brachte die Umfrage bei näherer Betrachtung keine Überraschungen: Rund 37 Prozent der über 60-Jährigen fanden nicht alles schlecht. Bei den unter 45-Jährigen waren es 20 Prozent, die 45- bis 59-Jährigen waren mit 15 Prozent vertreten. Das ergab einen Durchschnitt von 25 Prozent.

„Wirklich neu ist die Zahl nicht“, sagt Ulrich Dovermann, Leiter des Fachbereichs Extremismus an der Bundeszentrale für politische Bildung. Vielmehr bestätige sie das, was bereits seit längerem bekannt sei: „Man muss davon ausgehen, dass rund ein Viertel der Deutschen in diese Richtung denkt“, sagt Dovermann. Ob bei einer Umfrage jedoch 18, 25 oder 31 Prozent herauskämen, das hänge lediglich von der Formulierung der Frage ab, die gestellt werde.

In der Umfrage vom 11. und 12. Oktober wollte Forsa wissen, ob es gute Seiten am Nationalsozialismus gab, so Manfred Güllner, Chef des Insituts. Als Reaktion auf die aktuelle Diskussion um Eva Herman habe man lediglich die Themen Autobahn und Familienförderung als Beispiele nationalsozialistischer Veränderungen in die Frage integriert.

„Man kann aus den Ergebnissen nicht schließen: Das sind alles Nazis“, sagt Ulrich Dovermann. „Zu einem verdichteten rechtsextremen Weltbild gehören mehrere Versatzstücke.“ Wobei die Meinung, dass nicht alles schlecht gewesen sei, nur eines davon sei. So könne man davon ausgehen, dass in Deutschland etwa 16 bis 18 Prozent der Bürger einen rassistischen Hintergrund hätten, sagt er.

Die momentane Diskussion wird laut Dovermann „in Deutschland falsch geführt“. „Wenn jemand etwas wie Frau Herman sagt, sollten wir ihn das sagen lassen – und dann darüber reden.“ Es müsse zu politisch-aufklärerischen Diskussionen kommen, und zwar ohne Schaum vor dem Mund.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Blick auf eine Umfrage vom April 2001. Damals fragte das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag des „Spiegel“: „Wie beurteilen Sie die Zeit des Dritten Reiches insgesamt.“ Eine der Antwortmöglichkeiten: „Der Nationalsozialismus hatte gute und schlechte Zeiten“. Damals waren noch 46 Prozent der Befragten dieser Meinung.

Tim Klimeš

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