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Politik: Auch Polen über Premier Kaczynski irritiert

Das Nachrichtenmagazin „Wprost“ erregte in diesen Tagen Aufsehen mit einem Titelbild, das Kanzlerin Angela Merkel zeigt, wie sie die Brüder Kaczynski am Busen nährt. Auch in Polen sind sich die Kommentatoren einig, dass dieses Foto eine billige und abscheuliche Provokation ist.

Das Nachrichtenmagazin „Wprost“ erregte in diesen Tagen Aufsehen mit einem Titelbild, das Kanzlerin Angela Merkel zeigt, wie sie die Brüder Kaczynski am Busen nährt. Auch in Polen sind sich die Kommentatoren einig, dass dieses Foto eine billige und abscheuliche Provokation ist. In der Aufregung interessierte sich aber kaum jemand für den Text in „Wprost“, der von Krzysztof Rak und Marius Muszynski verfasst worden ist. Rak ist ein renommierter Historiker und Muszynski Beauftragter der Regierung für die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten.

Warschau verstehe sich nach dem Gipfel in Brüssel als Anwalt der kleinen Staaten, so das Autorenduo. Dann aber stellt sich die Frage, weshalb Warschau dann nicht von der Slowakei, Ungarn oder Portugal während des Verhandlungsmarathons unterstützt wurde? Die Antwort liefern anonyme polnische Quellen: Die kleinen Länder hätte ganz einfach Angst vor den großen Mächten wie Deutschland.

„Polen hat keine Angst“, erklären die Verfasser fast schon drohend. In deutschen Köpfen steckten noch immer „die postkolonialen Reflexe gegenüber Warschau“. Und: „Nach mehr als drei Jahren EU-Mitgliedschaft, nach mehr als 15 Jahren Nachbarschaftsvertrag, 60 Jahre nach Kriegsende, fast 100 Jahre nach Beendigung der polnischen Teilungen ist Deutschland immer noch nicht fähig, die Polen wie Partner zu behandeln.“ Hier wird den Regierenden in Berlin indirekt vorgeworfen, sie hätten den von Adolf Hitler propagierten „Drang nach Osten“ noch immer nicht abgelegt. Und wird dieser Gedanke zu Ende gedacht, heißt das, dass von Deutschland noch immer die Gefahr eines Überfalls ausgeht.

Wie unentspannt das Verhältnis zwischen Berlin und Warschau derzeit ist, zeigt sich auch an der polnischen Reaktion auf eine Karikatur im Tagesspiegel. Während nach dem Fast-Eklat auf dem EU-Gipfel in Brüssel die Diplomaten noch bemüht waren, die Wogen zu glätten, reagierte Premier Jaroslaw Kaczynski auf die Karikatur mit einer düsteren Drohung an den Nachbarn: „Ich warne die deutschen Regierenden. Deutschland darf keine Äußerungen tolerieren, die zum Schlimmsten führen können: zu einem Unglück in Europa und damit auch zu einem Unglück, das die Deutschen selbst treffen wird.“ Seinen Zorn erregt hat eine Zeichnung des Tagesspiegel-Karikaturisten Klaus Stuttmann. In der kündigt Merkel, angelehnt an eine Forderung Kaczynskis, als Kompromiss eine „dreifache Mehrheit“ an: Das EU-Abstimmungsverfahren wird ergänzt durch die Quadratwurzel aller Weltkriegstoten. Was der Premier nicht sagte: Vor dem EU-Gipfel war er es, der erklärte, dass Polen heute ohne die Toten des Zweiten Weltkrieges ein Volk von 66 Millionen Menschen wäre. Deshalb habe sein Land Anspruch auf mehr Stimmen.

Auch in Polen lösten solche rückwärtsgewandten Ideengebilde Entsetzen aus, und die Kritik am Premier wird immer schärfer. In der linksliberalen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ wurde er wegen der Äußerungen im Bezug auf die Karikatur im Tagesspiegel attackiert: „Seine antideutsche Phobie nimmt ein monströses Ausmaß an und gleicht langsam der antipolnischen Phobie von Erika Steinbach.“ Ein in Polen äußerst unschmeichelhafter Vergleich.

Knut Krohn[Warschau]

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