zum Hauptinhalt

Politik: Auch viele Sunniten wählten – mit Nein

Irakische Verfassung offenbar dennoch angenommen / Niedrige Beteiligung der Kurden

Die neue irakische Verfassung ist offenbar angenommen. Zwar werden die Ergebnisse der Abstimmung frühestens in einigen Tagen vorliegen. Doch nach Angaben lokaler Wahlkommissionen wurde die Verfassung in den Provinzen Nineveh und Diyala angenommen. Nineveh und Diyala sind zwei der vier Provinzen mit starkem sunnitischen Bevölkerungsanteil, in denen eine Mehrheit gegen die Verfassung hätte stimmen können. Eine Zweidrittelmehrheit in drei Provinzen, die das Dokument zu Fall bringen könnte, ist damit offenbar verpasst.

Im Unterschied zu den Parlamentswahlen im Januar verlief der Tag der Abstimmung friedlich und die sunnitischen Araber gingen massenhaft zur Abstimmung. Überraschenderweise war die Wahlbeteiligung in den Kurdengebieten im Norden hingegen niedrig.

Nach Auszählung von 260 der 300 Wahlurnen in der Provinz Nineveh, in der die drittgrößte irakische Stadt Mossul liegt, hätten 300000 Wähler mit Ja und 80000 mit Nein gestimmt, erklärte eine Sprecherin der Wahlkommission in Mossul am Sonntag. Damit wäre ausgeschlossen, dass in dieser Provinz mit extrem gemischter Bevölkerung eine Zweidrittelmehrheit gegen die Verfassung stimmt. Die Agentur AP meldete, dass auch Diyala mit Ja stimmte. In der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinz Salahuddin, in der die Geburtsstadt Saddam Husseins liegt, wurde die Verfassung mit 71 Prozent der Stimmen abgelehnt, teilte ein Mitglied der Wahlkommission mit. Das wurde später dementiert. Auch in der fast nur von Sunniten bewohnten Provinz Anbar wurde eine Ablehnung erwartet.

Nach Schätzungen lag die Wahlbeteiligung bei etwa 60 Prozent. Eine Überraschungen war der hohe Zuspruch der Sunniten, welche die Parlamentswahlen im Januar aus Protest teilweise boykottiert hatten. Nach vorläufigen Angaben der lokalen Wahlkommission soll sie in Salahuddin bei 88 Prozent gelegen haben. Allerdings blieben in den westlichen Provinzen, in denen die Kämpfe mit Aufständischen am schwersten toben, viele Wahlbüros aus Sicherheitsgründen geschlossen. Die Kurden dagegen erschienen weniger zahlreich an den Urnen als erwartet. Kurdenführer hatten eine Wahlbeteiligung von 70 Prozent in ihren Provinzen vorhergesagt. Die Kurden konnten die meisten ihrer Forderungen, mit Ausnahme der völligen Unabhängigkeit, durchsetzen und stimmten daher für den Verfassungsentwurf. Viele blieben wohl zu Hause, weil sie die Annahme der Verfassung in ihrer Provinz als selbstverständlich ansahen.

Die Abstimmung verlief relativ friedlich. Dennoch wurden drei irakische Soldaten getötet, ein Dutzend Menschen verletzt. In zwei Wahlbüros wurden die Urnen nach der Schließung gestohlen. Größere Anschläge blieben aus. Beobachter erklären dies damit, dass militante Gruppen es den Sunniten erlauben wollten, gegen das Dokument zu stimmen. Ihre Vertreter hatten den Entwurf abgelehnt, nur ein Teil hatte sich durch Änderungen in letzter Minute umstimmen lassen. Doch am Tag nach dem Referendum stieg die Gewalt wieder an mit Angriffen auf die Green Zone und ein Militärfahrzeug bei Ramadi, bei dem fünf US-Soldaten starben. Wird der Verfassungsentwurf angenommen, müssen bis 15. Dezember Parlamentswahlen stattfinden. Bis Ende des Jahres soll eine Regierung stehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false