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Politik: Auf dem Weg nach Ithaka?

Premier Papandreou unter Druck: Griechenlands Gläubiger fordern von der Regierung Reformen, doch die Gewerkschaften meutern

Dieser Karsamstag ist für den griechischen Premierminister Giorgos Papandreou kein Tag wie jeder andere. Es ist nicht nur sein Namenstag. Heute jährt sich auch der 23. April 2010. An jenem Tag trat Papandreou auf dem winzigen Eiland Kastelorizo, Griechenlands östlichster Insel, vor die Fernsehkameras und sendete SOS. Vor der malerischen Kulisse des kleinen Hafens rief Papandreou in einer dramatischen Ansprache („Der Moment ist gekommen“) nach Rettungskrediten der Europäer: „Unser Schiff ist kurz vor dem Sinken.“ Seine Landsleute stimmte der Premier auf eine stürmische Seefahrt ein: „Wir sind auf einer neuen Odyssee.“

Ein Jahr später hat der Steuermann Papandreou keineswegs den „windgeschützten Hafen“ erreicht, in den er mit den Hilfsgeldern zu segeln hoffte. Der Sturm hat sich nicht gelegt, er ist stärker geworden: Die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen sind heute noch höher als vor einem Jahr, immer lauter werden die Rufe nach einer Umschuldung. Das zeigt: Die Anleger an den Finanzmärkten fürchten mehr denn je eine Havarie Griechenlands. Papandreou und sein Finanzminister Giorgos Papakonstantinou müssen das Schiff nun in schwerer See auf Kurs bringen. „Entweder wir ändern uns oder wir gehen unter“, mahnt Papandreou seine Landsleute immer wieder. Die nächsten drei Wochen könnten darüber entscheiden, ob der Premier mit seinem Rettungsversuch Erfolg hat oder scheitert.

Nicht nur der Druck der Finanzmärkte wächst. Anfang Mai werden auch die Inspektoren des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder nach Athen kommen, um die Bücher zu prüfen. Von ihrem Urteil hängt ab, ob die im Juni fällige nächste Rate der Hilfskredite ausgezahlt wird – zwölf Milliarden Euro, die Papakonstantinou dringend braucht, um fällige Staatsanleihen zu refinanzieren.

Aber die Inspektoren aus Brüssel, Frankfurt und Washington interessieren sich nicht nur für den Haushalt. Wichtiger noch als die Konsolidierung der Staatsfinanzen sind die Strukturreformen. Denn nur mit ihrer Hilfe kann Griechenland wieder wettbewerbsfähig werden und beginnen, den Schuldenberg abzutragen. Seine Spar- und Reformziele hat Papandreou vergangene Woche grob umrissen: Bis 2015 will die Regierung den Haushalt um weitere 26 Milliarden Euro entlasten und zugleich 50 Milliarden mit Privatisierungen kassieren, um Schulden zu tilgen. Doch gerade das Privatisierungsprogramm wird nicht leicht durchzusetzen sein. Nicht nur die Gewerkschaften protestieren, auch der linke, marxistisch angehauchte Flügel der sozialistischen Regierungspartei meutert. Ein heißes Eisen ist vor allem der geplante Verkauf von weiteren zehn Prozent des Fernmeldekonzerns OTE an die Deutsche Telekom, die an dem einstigen Staatsmonopolisten bereits mit 30 Prozent als strategischer Investor beteiligt ist. Noch als Oppositionsführer hatte Papandreou den Einstieg der Deutschen heftig bekämpft und versprochen, ihn nach einem Wahlsieg rückgängig zu machen. Daran muss er sich nun von der Parteilinken erinnern lassen.

Der eigentliche Showdown steht Papandreou aber beim staatlichen Stromversorger DEI bevor – ein Unternehmen, das traditionell nicht von der Regierung oder dem Management kontrolliert wird, sondern von der militanten Hausgewerkschaft Genop, die in den vergangenen zehn Jahren 31,2 Millionen Euro „Zuschüsse“ aus der Unternehmenskasse abzweigte. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Kein Wunder, dass sich die Gewerkschaft gegen die Privatisierung des Stromkonzerns wehrt: „Wir werden das nicht zulassen“, sagt Genop-Chef Nikos Fotopoulos, ein Parteifreund Papandreous. Anfang Mai will seine Gewerkschaft mit einer Streikserie beginnen, parallel zu den Parlamentsberatungen über das Privatisierungsprogramm. Hält die Regierung an ihren Plänen fest, wollen die Gewerkschafter alle Kraftwerke lahmlegen und das Land ins Dunkel stürzen. Ganz Griechenland ohne Strom, womöglich tagelang – das könnte der ohnehin krisengeschüttelten Wirtschaft des Landes den Rest geben.

Eine Odyssee stehe den Griechen zwar bevor, hatte Papandreou vor einem Jahr auf Kastelorizo seinen Landsleuten erklärt, aber zugleich versichert: „Wir kennen den Weg nach Ithaka, wir haben den Kurs vorgezeichnet.“ Der Premier verschwieg allerdings, wie die Odyssee ausgeht: Erst nach zehnjähriger Irrfahrt und gefährlichen Abenteuern, in deren Verlauf er alle Gefährten verliert, kehrt der Trojakämpfer Odysseus auf seine Heimatinsel Ithaka zurück – im Gewand eines Bettlers.

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