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Politik: Auf den Bezug kommt es an

Die SPD streitet über das Arbeitslosengeld I. Welchen Einfluss hat die Leistungsdauer auf die Beschäftigung Älterer?

Meist sind es Zahlen, die dabei helfen können, etwas Sachlichkeit in hitzig geführte politische Debatten zu bringen. So ist es auch im Streit um eine Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I für Ältere – und deshalb zunächst einmal ein paar Zahlen:

Laut Eurostat lag die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen in Deutschland im zweiten Quartal 2007 bei 52 Prozent. Damit ist das Lissabon-Ziel der Europäischen Union bereits jetzt geschafft (bis 2010 sollte in dieser Altersgruppe eine Quote von mindestens 50 Prozent erreicht werden).

2006 nahm die sozialversichungspflichtige Beschäftigung in der Altersgruppe der über 50-Jährigen im Vergleich zum Vorjahr um fast fünf Prozent zu, bei den über 55-Jährigen sogar um fast sieben Prozent. Zum Vergleich: Der Beschäftigungsanstieg in allen Altersgruppen lag insgesamt nur bei 1,6 Prozent. „Somit machen Ältere über 50 Jahre genau zwei Drittel des Beschäftigungsaufbaus 2006 aus“, heißt es in einem aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit.

Dieser Trend hat sich auch in diesem Jahr fortgesetzt: Von Januar bis September haben 1,2 Millionen Menschen, die älter als 50 sind, den Weg zurück in den Arbeitsmarkt geschafft. Das sind 5,6 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Zum Vergleich: Die Abgangsquote bei allen Arbeitslosen ist in diesem Zeitraum um 2,3 Prozent gestiegen.

Zurzeit sind 908 000 Menschen, die älter als 50 Jahre sind, arbeitslos gemeldet. Nach Angaben der Bundesagentur lag im Juli dieses Jahres die durchschnittliche Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I bei den 45- bis 55-Jährigen bei 172 Tagen, bei den 55- bis 65-Jährigen bei 222 Tagen. Durch alle Altersgruppen hinweg betrug die durchschnittliche Bezugsdauer 158 Tage.

Bei der Bundesagentur kommt man aufgrund all dieser Zahlen zu dem Schluss, dass „Ältere offensichtlich den aktuellen Wirtschaftsaufschwung stärker als Jüngere nutzen, um wieder am Erwerbsleben teilzuhaben“, wie es in dem Bericht heißt. Für diese Entwicklung führt die Behörde mehrere Gründe an: Die gute Konjunkturentwicklung, ein Umdenken der Arbeitgeber, die angesichts des drohenden Fachkräftemangels wieder vermehrt Ältere einstellen – und eine Verhaltensänderung älterer Arbeitnehmer, weil die Anreize (Altersteilzeit oder „ 58er-Regelung“) gesunken sind, das Erwerbsleben zugunsten eines faktischen Vorruhestands zu beenden. An dieser Stelle kommt nun auch die kürzere Bezugszeit des Arbeitslosengelds I zum Tragen: Da Ältere seit Anfang 2006 nur noch 18 Monate Anspruch auf diese Leistung haben, wurden die Möglichkeiten, die Phase zwischen Beschäftigung und Renteneintritt durch Arbeitslosigkeit zu „überbrücken“, stark eingeschränkt. So gesehen hängen die Erwerbsneigung Älterer und die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds miteinander zusammen.

Doch kann die gestiegene Erwerbsquote der Älteren nicht allein mit kürzeren Bezugszeiten und der Abschaffung von Frühverrentungsprogrammen erklärt werden, wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem vergangenen Jahr zeigt. Grundlage der Studie ist ein Vergleich der Arbeitsmarktsituation Deutschlands mit der in Dänemark, Finnland und den Niederlanden. In diesen drei Ländern wurden umfangreiche Vorruhestandsprogramme eingeführt, um den Arbeitsmarkt zu entlasten. Diese Programme wurden dort in den 90er Jahren massiv beschnitten und tatsächlich erhöhte sich die Beschäftigungsquote Älterer – allerdings nur, weil sich zuvor die Wirtschaftsentwicklung über mehrere Jahre hinweg deutlich verbessert hatte. In Finnland wurde die Rentenreform zudem mit einem Nationalen Programm zur Beschäftigungsfähigkeit Älterer kombiniert, das europaweit als vorbildlich gilt.

Für Deutschland lässt sich daraus folgern: Getragen durch den anhaltenden Aufschwung wirken Änderungen bei der Frühverrentung und eine kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds positiv auf die Beschäftigung Älterer. Zumal durch diese Schritte ein Widerspruch der bisherigen Arbeitsmarktpolitik aufgehoben wurde: Einerseits wurden zahlreiche Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung gerade älterer Menschen angeboten, andererseits zahlreiche Anreize gegeben, frühzeitig aus dem Arbeitsleben auszusteigen.

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