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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Die Größe des Verlierers

Malte Lehming über den kulturellen Graben zwischen Europa und den USA.

Dass die Vereinigten Staaten von Amerika dem alten europäischen Kontinent in vielen Belangen überlegen sind, ist bekannt. In der Malerei kommen die entscheidenden Impulse seit Jahrzehnten aus den USA, ebenso in der Musik (allenfalls England kann mithalten). In der Kinokultur setzt Hollywood unangefochten Maßstäbe. Neue Ausdrucks- und Verbreitungsformen wie Zeichentrick und Internet tragen ebenfalls den US-Stempel. Und nicht zuletzt auf dem Gebiet der Forschung und Wissenschaft führt uns das amerikanische Modell regelmäßig seine Dominanz vor. Von dort kommen die meisten Nobelpreisträger, sämtliche Talente dieser Welt strömen dahin. Mit der Wahl Barack Obamas schließlich hat sich die Gesellschaft des Landes als die fortschrittlichste des ganzen Westens erwiesen.

Nun kontern verbiesterte Europäer gern mit der Häme, dafür kenne der gemeine Amerikaner nicht einmal die Hauptstadt von Dänemark, woraus dieser Europäer auf fehlendes Allgemeinwissen schließt. Damit aber schießt er aus zwei Gründen am Tor vorbei. Erstens kennen noch weniger Europäer die Hauptstadt vom Bundesstaat Montana, der erheblich größer ist als Dänemark. Zweitens ist Europa für Amerikaner weit weniger wichtig als Amerika für Europäer. Zu glauben, ein Amerikaner müsse die Hauptstadt Dänemarks kennen, ist Hybris.

Auf keinem Gebiet indes wird der kulturelle Vorsprung Amerikas sichtbarer als bei den Umgangsformen. Benimm, Takt, Höflichkeit, Zivilität: Da setzt die neue Welt Maßstäbe (wofür sich jener verbiesterte Europäer gern mit dem Vorwurf der Oberflächlichkeit rächt). In amerikanischen Großstädten etwa ist jeder darauf bedacht, dass der Verkehr fließt, während bei uns jeder auf seinem Recht pocht (der andere muss ausweichen!!).

Wer an all dem weiter zweifelt, möge sich die Reden von Obama und John McCain nach der Wahl anhören. Immer und immer wieder. Wie viel Großherzigkeit, Anstand und Respekt darin enthalten sind! Selbst George W. Bush bewies Größe. Und bei uns? Unwillkürlich tauchen die Bilder nach der letzten Bundestagswahl auf. Gerhard Schröder neben Angela Merkel in der Elefantenrunde. Er höhnt und spottet, sie druckst herum. Wie peinlich, auch ohne Vergleich. Und nachher dann wurden Schröders Ausfälle sogar als maskulines Alphatiergehabe geadelt. McCain, Bush und Schröder: Im Abgang zeigt sich der wahre Charakter. Beschämender für Deutschland kann der direkte Vergleich nicht sein. Und kaum aufschlussreicher.

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