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Politik: Auf der Anklagebank sitzt auch ein Spitzensozialist

Der Beamte setzte dem mutmaßlichen ETA-Mitglied Jose Antonio Lasa die Pistole an den Kopf und drückte ab. Die Polizeikugel durchbohrte den Schädel "von hinten nach vorne", hält der Staatsanwalt in seiner Anklage gegen den Beamten der paramilitärischen Polizei Guardia Civil akribisch fest.

Der Beamte setzte dem mutmaßlichen ETA-Mitglied Jose Antonio Lasa die Pistole an den Kopf und drückte ab. Die Polizeikugel durchbohrte den Schädel "von hinten nach vorne", hält der Staatsanwalt in seiner Anklage gegen den Beamten der paramilitärischen Polizei Guardia Civil akribisch fest. Dann habe der Polizist dem ebenfalls als Terroristen verdächtigen Jose Ignacio Zabala die Waffe an die Schläfe gehalten und den Finger durchgezogen. Dies waren die ersten Morde der staatlichen "Antiterroristischen Befreiungstruppen" GAL, man schrieb das Jahr 1983. Ein dunkles Kapitel im spanischen Rechtsstaat, das nun gerichtlich aufgerollt wird.

Auf der Anklagebank im Nationalen Gerichtshof in Madrid sitzt der Spitzensozialist Rafael Vera, in den 80er Jahren Staatssekretär für die Sicherheit in Spanien. Er war die Nummer zwei im Innenministerium. Auch ein Rechtsberater des Ministeriums ist angeklagt. Daneben der Guardia-Civil-General Enrique Rodriguez Galindo, drei seiner Beamten und der Ex-Gouverneur der Baskenregion Guipuzcoa. Der Staatsanwalt beschuldigt die vier Beamten und den Provinzstatthalter der sozialistischen Regierung der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", der Folter und des zweifachen Mordes. Dem Staatssekretär und seinem Hausjuristen wird vorgeworfen, die Morde gedeckt zu haben.

Der Prozess wirft erneut ein Licht auf die illegale Anti-Terror-Bekämpfung der damaligen spanischen Regierung unter ihrem Premier Felipe Gonzalez. Die geheimen GAL-Kommandos, so wurde bereits früher in diversen Gerichtsakten festgehalten, seien mit Wissen und Mitteln der sozialistischen Regierung aufgestellt worden. Der ehemalige Innenminister Jose Barrionuevo und sein jetzt erneut angeklagter Staatssekretär Vera waren deshalb schon zu jeweils zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Auch gab es immer wieder Hinweise und Aussagen, die zumindest auf eine Mitwisserschaft von Felipe Gonzalez deuten. Für eine Anklage gegen den früheren Regierungschef sei das Material jedoch nicht ausreichend, befanden die Richter.

Das Blatt könnte sich jedoch noch einmal gegen Gonzalez wenden, falls im nun angelaufenen Verfahren neue Beschuldigungen auftauchen. Auch von weiteren GAL-Prozessen, die von der Justiz noch vorbereitet werden, droht den Sozialisten Ungemach: So sollen Spitzengenossen ebenfalls in die Ermordung des früheren Führers des politischen ETA-Flügels, des baskischen Kinderarztes Santiago Brouard, verwickelt sein. Insgesamt brachten die staatlichen GAL-Kommandos zwischen 1983 und 1987 28 mutmaßliche ETA-Terroristen, meist in Südfrankreich, um - von einigen Opfern weiß man heute, dass sie nichts mit der ETA zu tun hatten.

Ralph Schulze

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