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In den Umfragen vorn: der konservative Spitzenkandidat Mariano Rajoy. Foto: Reuters

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Politik: Auf der Suche nach Spielraum

Vor der Wahl in Spanien richtet der mögliche künftige Premier Rajoy einen Appell an die Finanzmärkte

Belastet von der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise, welche Spaniens Schuldzinsen über die kritische Sieben- Prozent-Marke und Richtung Rettungsschirm treibt, wählen die Spanier am Sonntag eine neue Regierung. Die Umfragen sagen dem konservativen Herausforderer Mariano Rajoy (56) einen Sieg und sogar die absolute Mehrheit voraus. Dann wäre dem Chef der Volkspartei (PP) auch das Amt des Ministerpräsidenten sicher.

Rajoy appellierte am Freitag an die Finanzmärkte, Spaniens kommender Regierung eine Chance zu geben. Er hoffe, dass die „sehr negative“ Zinsentwicklung umgedreht werden könne. Rajoy setzt darauf, dass die Märkte seiner künftigen Regierung einen Vertrauensvorschuss und „einen minimalem Spielraum“ einräumen werden. Spanien sei ein „ernsthaftes und vertrauenswürdiges Land“ und werde seine Verpflichtungen erfüllen.

Die seit 2004 regierenden Sozialisten (PSOE) kämpfen mit dem bisherigen Innenminister Alfredo Rubalcaba (60) als Spitzenkandidaten um den Machterhalt – den Umfragen zufolge haben sie aber keine Chance auf den Wahlsieg. Der bisherige sozialistische Regierungschef José Luis Zapatero (51) hatte auf eine weitere Kandidatur verzichtet, nachdem seine Popularität immer weiter gefallen war, vor allem wegen seines zögerlichen Krisenmanagements und seiner Sparmaßnahmen. Der Chemiker und frühere Universitätslehrer Rubalcaba war als Innenminister Zapateros starker Mann und der angesehenste Minister der Regierung.

Den letzten Wählerbefragungen zufolge könnten Rajoys Konservative rund 45 Prozent der Stimmen erreichen – 2008 holten sie rund 40 Prozent. Den Sozialisten werden hingegen nicht viel mehr als 30 Prozent zugetraut, nachdem sie 2008 noch mit knapp 44 Prozent siegten. Wenn sich diese Tendenz bestätigt, könnte dies die schlimmste Niederlage der Sozialisten in der Geschichte der spanischen Demokratie werden.

Von den erwarteten hohen Verlusten für Zapateros Sozialisten dürften auch die regionalen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland profitieren. Deren Abschneiden wird aufmerksam beobachtet, da in diesen Regionen Unabhängigkeitsforderungen immer lauter werden.

Eigentlich sollte erst im Frühjahr 2012 gewählt werden. Zapatero sah sich aber wegen der immer schlimmeren nationalen Wirtschaftskrise und dem wachsenden Druck der Finanzmärkte auf sein Land gezwungen, vorzeitige Wahlen einzuberufen. Am Donnerstag musste Spanien erstmals sieben Prozent Zinsen an die Anleger bezahlen, um zehnjährige Staatsanleihen zu verkaufen. Auch am Freitag blieben die spanischen Schuldzinsen auf Rekordniveau. Die Sieben-Prozent-Grenze gilt als kritische Marke – mehr kann ein Staat für seine Schuldenfinanzierung nicht lange überstehen. Spaniens scheidender Regierungschef Zapatero forderte nach dem neuen Zinsschock die EU und die Europäische Zentralbank auf, „sofort“ zu handeln, dafür habe man den europäischen Institutionen schließlich Kompetenzen übertragen. „Europa ist die Antwort, um zur Stabilität zurückzukehren.“

In 2010 hatte Spanien noch eine Neuverschuldung von 9,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die mit Brüssel vereinbarte Schuldenreduzierung auf drei Prozent bis 2013 ist bisher in weiter Ferne. Die EU-Kommission schätzt, dass Spanien dann immer noch auf mindestens 5,3 Prozent Neuschulden sitzt.

Zumal Spaniens Wirtschaft nach dem großen Immobiliencrash am Boden liegt: Fast 23 Prozent Arbeitslosigkeit Ende Oktober, geringes Wirtschaftswachstum von geschätzten 0,7 Prozent in 2011 und wankende Banken, die faule Kredite in Milliardenhöhe in ihren Bilanzen verstecken – keine guten Voraussetzungen für eine schnelle Erholung.

Mariano Rajoy (56) versucht nun zum dritten Mal, die Macht zu erobern – diesmal vermutlich mit Erfolg. Dabei musste er sich im Wahlkampf gar nicht besonders anstrengen, da die Umfragen dem Parteichef der konservativen Volkspartei (PP) seit Monaten einen überwältigenden Sieg voraussagen. So bemühte Rajoy sich in den letzten Wochen vor allem darum, keine taktischen Fehler zu begehen, um die Gunst der Wähler nicht zu verspielen.

Zu dieser Strategie gehört auch, keine konkreten Sparmaßnahmen anzukündigen, obwohl sie notwendig sein werden, um das Haushaltsdefizit abzubauen. Nur so viel sagt Rajoy: „Wir müssen dort kürzen, wo man kann.“ Und er lässt anklingen, dass es außer bei den Rentenzahlungen „überall“ neue Einsparungen geben werde. An die Europäische Union und die Finanzmärkte richtet er die Botschaft: „Ich werde das Defizitziel erfüllen.“

Rajoy war die rechte Hand des früheren konservativen Ministerpräsidenten José Maria Aznar (1996-2004). Er diente Aznar als Innenminister, Stellvertreter und zuletzt auch als Sprecher der Regierung. Rajoy ist studierter Jurist. Er arbeitete zunächst als Grundbuchbeamter, bevor er dann vor über 30 Jahren seine Karriere in der Volkspartei begann.

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